So wird aus Klärschlamm grüne Fernwärme
Klärschlamm fällt bei der Reinigung von Haushaltsabwässern in den Klärwerken an. Er setzt sich aus Wasser sowie organischen und mineralischen Stoffen zusammen. Ein großer Teil des Klärschlamms in Niedersachsen wurde bisher als Dünger auf landwirtschaftliche Nutzflächen verbracht. Das ist jedoch aufgrund der im Klärschlamm enthaltenen Schadstoffe sehr problematisch, denn Schadstoffe wie Schwermetalle, Mikroplastik oder Medikamentenrückstände belasten die Gewässer, die Böden und das Grundwasser. Darüber hinaus schreibt die aktuelle Klärschlammverordnung (AbfKlärV) vor, dass ab 2029 der im Klärschlamm ebenfalls enthaltene wertvolle Rohstoff Phosphor zurückgewonnen werden muss.
Saubere Lösung für die Klärschlammentsorgung
Doch wohin mit dem Klärschlamm? Allein in den Kläranlagen der Stadt Hannover fallen jedes Jahr rund 56.000 Tonnen Klärschlamm an. Eine gute und nachhaltige Lösung ist die thermische Verwertung des Materials in einer Verbrennungsanlage. Bei der Verbrennung des Klärschlamms werden nicht nur alle thermisch zerstörbaren Schadstoffe, insbesondere Mikroplastik und Medikamentenrückstände, beseitigt. Auch die anderen Schadstoffe, etwa Schwermetalle, werden über die Rauchgasreinigung abgeschieden und bleiben so der Umwelt erspart. Darüber hinaus lässt sich in einer Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage der Phosphor effizient aus der zurückbleibenden Asche rückgewinnen.
Die bei der Verbrennung entstehende Wärme wird wie in einem herkömmlichen thermischen Kraftwerk zur Dampferzeugung genutzt. Durch diesen Dampf lässt sich sowohl Strom für den Betrieb der Anlage mithilfe einer Dampfturbine erzeugen als auch die erforderliche Trocknung des Klärschlamms vor der Verbrennung bewerkstelligen. Besonders ausgeklügelte Anlagen ermöglichen darüber hinaus durch entsprechende Prozessoptimierung die Gewinnung von Wärme zur Fernwärmeversorgung.
Bei der Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage in Hannover-Lahe handelt es sich um die erste ausgeklügelte Anlage dieser Art in Deutschland: Sie ist so optimiert, dass sie rund fünf Prozent des Fernwärmebedarfs im hannoverschen Fernwärmenetz decken kann. Insgesamt 56 Millionen Kilowattstunden Wärme pro Jahr kann die neue Anlage abgeben – und damit umgerechnet rund 15.000 Menschen mit klimaschonender Fernwärme versorgen.
Das Verfahren zur thermischen Klärschlammverwertung ist technisch sehr anspruchsvoll.
So wird Klärschlamm zu grüner Fernwärme
Zunächst gelangt der Klärschlamm in den Annahmebunker (1), in dem die Klärschlammmenge für etwa fünf bis sechs Tage Anlagenbetrieb zwischengelagert werden kann. Über einen vollautomatischen Kran kommt der Schlamm im nächsten Schritt in den Scheibentrockner (2): Hier wird das Material bei etwa 100 Grad so weit vorgetrocknet, dass es ohne Zugabe eines weiteren Brennstoffes verbrannt werden kann. Die als Wasserdampf aus dem Klärschlamm entweichende Feuchtigkeit wird mittels eines Wärmetauschers wieder kondensiert (verflüssigt) und die dabei frei werdende Energie für die Versorgung der Stadt mit Fernwärme genutzt.
Die Verbrennung des Klärschlamms findet im Wirbelschichtofen (3) statt. Dafür wird Sand am Boden des Ofens mit von unten zugeführter heißer Verbrennungsluft verwirbelt. In diesem sogenannten Wirbelbett aus Sand und heißer Luft trocknet der seitlich zugeführte Klärschlamm vollends aus. Gleichzeitig zerreiben die wirbelnden Sandpartikel den Klärschlamm zu Staub, der dann bei einer Temperatur von mindestens 850 Grad verbrennt.
Das in der Verbrennungszone entstehende heiße Rauchgas gelangt in den Abhitzekessel (4), in dem Hochdruckdampf erzeugt wird. Der rund 450 Grad heiße Wasserdampf treibt über eine Turbine den Generator an, der Strom für die gesamte Anlage erzeugt. Nach dem Austritt aus der Turbine wird der Dampf einerseits zur Klärschlammtrocknung im Scheibentrockner und andererseits für die Fernwärmeerzeugung verwendet, bevor er wieder als Wasser in den Abhitzekessel zur erneuten Dampferzeugung zurückgeführt wird.
Unterdessen strömt das Rauchgas weiter in einen ersten Gewebefilter (5), der den phosphorhaltigen Aschestaub aus dem Rauchgas abscheidet. Der wertvolle Phosphor, ein weltweit knappes Mineral, kann später aus der Asche zurückgewonnen und beispielsweise in der Landwirtschaft als Pflanzendünger eingesetzt werden. Von 2029 an ist die Phosphorrückgewinnung gesetzlich verpflichtend. Mit gutem Grund: Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes wird die Umsetzung der Vorgaben der neuen Klärschlammverordnung bis dahin dazu führen, dass der Anteil des Phosphor-Recyclings auf 65 Prozent steigt. Daraus könnten 38 Prozent des in Deutschland für Mineraldünger benötigten Phosphors gedeckt werden. Das spart nicht nur Kosten, sondern schont die endlichen Phosphorressourcen der Welt.
Saubere Abluft durch Hochleistungsrauchgasreinigung
Bei der auf den ersten Gewebefilter folgenden Trockensorption (6) werden durch Zufuhr von Kalkhydrat und Aktivkohle weitere Schadstoffe aus dem Rauchgas gebunden. Der dahintergeschaltete zweite Hochleistungsgewebefilter entzieht dem Rauchgas nochmals schädliche Partikel, bevor die restlichen Schadstoffe im Wäscher (7) ausgefiltert werden. Übrig bleibt vielfach gereinigte, rund 75 Grad warme Abluft (8), die alle gesetzlichen Auflagen mehr als erfüllt und dank hocheffizienter Filtertechnik keine Umweltbelastung mehr darstellt.
Im Wäscher, der letzten Reinigungsstufe, wird dem feuchten Rauchgas neben letzten Schadstoffen auch weitere Wärme durch Kondensation des enthaltenen Wasserdampfes entzogen. Diese wird ebenfalls an das enercity-Fernwärmenetz übertragen.
Klimafreundliche Heizenergie aus Klärschlamm: Die KVA Lahe in Zahlen
- 130.000 Tonnen entwässerter Klärschlamm verwertet die KVA Lahe pro Jahr.
- 56.000 Tonnen des Materials kommen aus den hannoverschen Klärwerken Herrenhausen und Gümmerwald, der Rest aus einem Umkreis von maximal 200 Kilometern.
- Die Klärschlammlieferungen werden für einen unterbrechungsfreien Betrieb in einem sogenannten Annahmebunker mit 3100 Kubikmeter Fassungsvermögen zwischengelagert.
- Im Scheibentrockner wird das Material bei etwa 100 Grad vorgetrocknet.
- Mindestens 850 Grad heiß wird das Rauchgas im Wirbelschichtofen, in den das nach dem Trocknen nahezu pulverförmige Material geblasen wird.
- Auf 430 Grad kühlt sich das Rauchgas im Dampferzeuger ab – und erhitzt dabei Wasser, das in einem geschlossenen Kreislauf nach der Stromerzeugung in einer Dampfturbine in einen Wärmetauscher gegeben wird und so wiederum das Wasser, das durch Hannovers Fernwärmeleitungen fließt, erhitzt.
- 56 Millionen Kilowattstunden Wärme pro Jahr soll die neue Anlage abgeben – das entspricht in etwa dem Wärmebedarf von 5000 Haushalten oder bis zu 15.000 Menschen.
- In drei Stufen wird das Rauchgas nach der Verbrennung gereinigt, bevor es an die Außenluft entlassen wird.
- Pro Jahr lassen sich etwa 1300 Tonnen wertvoller Phosphor aus der Verbrennungsasche der Klärschlammverbrennungsanlage extrahieren.
- Die Anlage ist der erste fertige neu gebaute Baustein für den geplanten Kohleausstieg bis 2026 und ein wichtiger Schritt für die beschlossene rechnerische Klimaneutralität Hannovers bis 2035.
- Die KVA Lahe ist die erste Klärschlammverwertungsanlage in Deutschland, die als sogenannte Monoverbrennung die gewonnene Energie auch in ein Fernwärmesystem einspeist.
Nachhaltige Fernwärme für 15.000 Menschen
Auf diese Weise wird die thermische Klärschlammverwertungsanlage in Lahe künftig rund 5000 Haushalte oder bis zu 15.000 Menschen in Hannover mit klimafreundlicher Fernwärme versorgen. Insgesamt kann die Technik im Nordosten der Stadt bis zu 130.000 Tonnen feuchten Klärschlamm aus der gesamten Metropolregion umweltschonend und geruchsneutral verwerten und klima- und umweltschonend zur nachhaltigen Wärmegewinnung nutzen.
Tatsächlich fungiert die neu errichtete KVA in Lahe als erster Baustein für den Kohleausstieg in Hannover. Denn bisher produziert das Kohlekraftwerk Stöcken noch den Großteil der Fernwärme, die in Hannover mehr als 30.000 Wohnungen sowie Büros, Krankenhäuser, Schwimmbäder und Schulen beheizt. Möglichst schon Ende 2026 soll Stöcken aber abgeschaltet werden. Dazu sind mehr als ein Dutzend Ersatzanlagen nötig – die Klärschlammverwertung ist ein wichtiger Baustein dieser Planung. Weitere Projekte wie unter anderem die Altholzverbrennung in Stöcken, eine Tiefengeothermieanlage im Nordosten Hannovers, eine Abwasser-Großwärmepumpe am Klärwerk Herrenhausen oder hochflexible Groß-BHKW in Herrenhausen und Stöcken werden das Kohlekraftwerk Stöcken dann schließlich vollständig ersetzen. Für mehr Informationen haben wir eine Übersicht über die geplanten Kohlekraftwerk-Ersatzanlagen zusammengestellt.
Standortwahl mit Weitsicht
Dass die Klärschlammverwertungsanlage genau neben der Müllverbrennungsanlage in Lahe gebaut worden ist, kommt übrigens nicht von ungefähr. Zum einen hängt dies damit zusammen, dass das hannoversche Fernwärme-Rohrsystem an möglichst vielen Punkten der Stadt Einspeisepunkte für frische Hitze braucht – so eben auch im Osten der Stadt. Auf der anderen Stadtseite, im westlichen Stadtteil Stöcken, entsteht aus demselben Grund derzeit eine Altholzverbrennungsanlage. Dazu kommt, dass die benachbarte Müllverbrennungsanlage in Lahe erst vor Kurzem mit einer langen Pipeline an das Fernwärmenetz angeschlossen worden ist: Die Infrastruktur zum Einspeisen existierte also schon, als die KVA Lahe ans Netz ging.
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