Wald aus der Froschperspektive
Miniwälder in der Stadt

Wie Tiny Forests das Klima in urbanen Räumen verbessern

Seit März 2024 hat der Big Apple eine neue Sehenswürdigkeit: An der Südspitze des im East River gelegenen Roosevelt Island, mitten in New York City, wächst seither ein kleiner Wald aus mehr als 1000 einheimischen Pflanzen. Das Waldgebiet hat eine Größe von gerade einmal 250 Quadratmetern. Es ist der erste Tiny Forest der Stadt – aber bei weitem nicht der erste in den USA. Zwischen Massachusetts und Missouri, Kansas und Kalifornien entstehen an vielen Orten der Vereinigten Staaten kleine Wälder in der Stadt. Auch in Asien und Europa haben die Mikrowälder Konjunktur. Das gilt auch für Deutschland: Ob Mannheim oder Lüneburg, Hamburg oder Freising – überall im Land entstehen Tiny Forests. Wir erklären, wieso die kleinen Wälder in der Stadt gut fürs Klima und für uns Menschen sind.

Was ist ein Tiny Forest?

Bei Tiny Forests handelt es sich um Miniwälder, die, weil sie auf sehr kleinen Flächen angelegt werden, in dicht besiedelten Gebieten angepflanzt werden können. Gerade einmal 100 Quadratmeter – was in etwa der Gesamtfläche von zehn Parkplätzen entspricht – reichen, um einen Mikrowald anzulegen. Meistens werden die Miniwälder aber etwas größer dimensioniert und auf 650 bis 1200 Quadratmeter großen Flächen errichtet. Sie sind dann etwa ein- beziehungsweise zweimal so groß wie ein Tennisplatz, damit aber immer noch klein genug, dass selbst in Städten viele potenzielle Standorte infrage kommen – beispielsweise öffentliche Grünflächen, Schulhöfe, brachliegende Flächen auf Firmengeländen oder sogar Privatgrundstücke.

Rendering des Miniwaldes auf der im East River gelegenen Insel Roosevelt Island aus der Vogelperspektive
Ein Tiny Forest für den Big Apple: An der Südspitze von Manhattans Roosevelt Island wächst seit Anfang des Jahres ein Miniwald.

Das eigentliche Geheimnis der Mikrowälder liegt in der besonderen Art ihrer Bepflanzung. In ihnen werden möglichst 30 unterschiedliche, schnell wachsende und sich selbst erhaltende Baumarten angepflanzt. Und zwar sehr dicht nebeneinander: In einem Tiny Forest liegt die Dichte der Bepflanzung bei zwei bis sieben Bäumen je Quadratmeter. Zum Vergleich: In einem „normalen“ Wald liegt die Individuendichte rund dreißigmal niedriger. Diese spezielle Pflanzmethode wird Miyawaki-Methode genannt.

Gut zu wissen: Die Individuendichte, auch Individuenabundanz genannt, meint die Anzahl der Individuen einer Art innerhalb desselben Biotops, beispielsweise wie viele Erlen, Eschen oder Rotbuchen in einem städtischen Miyawaki-Wald wachsen.

Wie funktioniert die Miyawaki-Methode?

Die Idee für die Mikrowälder stammt von dem japanischen Botaniker und Forstwissenschaftler Akira Miyawaki (1928–2021). Miyawaki beschäftigte sich bereits in den 1970er-Jahren mit der Aufforstung und Begrünung von Großstädten und forschte dazu, wie man in urbanen Räumen eine Verbesserung der Umweltsituation erwirken kann, indem man auf kleinsten Flächen natürliche Habitate anlegt.

Bei seinen Forschungen fand Miyawaki heraus, dass die natürlichen Verjüngungsprozesse der Natur sich beschleunigen lassen, wenn man auf kleiner Fläche eine große Vielfalt an heimischen Bäumen und Sträuchern in sehr engen Pflanzverbänden pflanzt. Durch den dichten und sehr diversen Pflanzverband entsteht in relativ kurzer Zeit ein selbst erhaltendes, stabiles Mini-Ökosystem, das zwar in den ersten drei Jahren gelegentlich bewässert werden muss, danach aber keiner weiteren Pflege bedarf.

25
Jahre
dauert es in etwa, bis ein künstlich angelegter Tiny Forest keine Unterschiede mehr zu einem 200 Jahre alten Forst aufweist.

Es ist dabei vor allem die Dichte der Bepflanzung, die dazu führt, dass Tiny Forests bis zu zehnmal schneller wachsen als ein herkömmlicher Wald. Der Grund dafür ist, dass die Bäume auf engstem Raum um das Sonnenlicht konkurrieren müssen, was dazu führt, dass sie besonders schnell in die Höhe schießen. Anstelle von etwa zehn Zentimetern pro Jahr wachsen Bäume in einem Miyawaki-Wald jedes Jahr etwa einen Meter. Ein künstlich angelegter Tiny Forest weist daher schon nach etwa 25 Jahren keine Unterschiede mehr zu einem 200 Jahre alten Forst auf.

Natürlich schaffen es nicht alle Bäume, im Wettstreit um das Sonnenlicht zu bestehen. Von den ursprünglich zwei bis sieben Bäumen, die je Quadratmeter angepflanzt werden, bleiben am Ende einer Studie der Urban Forests Company  zufolge durchschnittlich nur 0,5 bis 2,5 Bäume auf einem Quadratmeter stehen. Dennoch zählt die Miyawaki-Methode zu den effizientesten Aufforstungsmethoden.

Welche Bäume und Sträucher werden in einem Tiny Forest angepflanzt?

Grundsätzlich werden ausschließlich standortangepasste, einheimische Bäume und Sträucher angepflanzt. In Deutschland sind das unter anderem Erlen, Rot- und Hainbuchen, Stiel- und Traubeneichen, Feld- und Bergahorn und Eschen sowie Wildapfel- und Wildkirschenbäume. Dazu kommen schnell wachsende Sträucher wie beispielsweise Ginster, Haselnuss oder Rosen sowie verschiedene Kräuter. So entsteht ein Wald, der über dieselben Schichten verfügt wie ein natürlich gewachsener Wald.

Die Grafik zeigt die Schichten eines natürlich gewachsenen Waldes die auch in einem künstlich angelegten Tiny Forest zu finden sind
Die Grafik zeigt die Schichten eines natürlich gewachsenen Waldes, die auch in einem künstlich angelegten Tiny Forest zu finden sind.

Wie wirken sich Mikrowälder in Städten aus?

Tiny Forests haben vielfältige positive Auswirkungen auf die in Städten lebenden Menschen und Tiere sowie auf die Umwelt. Im Folgenden sind die wichtigsten Vorteile der kleinen ökologischen Oasen aufgelistet:

  • Erhöhung der Biodiversität: Der Artenreichtum eines Tiny Forest ist schon per se beachtlich. Schließlich werden in ihm allein mindestens 30 verschiedene Baum-, Strauch- und Staudenarten angepflanzt. Die große Artenvielfalt macht das Biotop aber auch attraktiv für verschiedenste Vögel-, Käfer- und Insektenarten. Einer niederländischen Studie zufolge tummeln sich in einem Miyawaki-Wald 18-mal so viele Tierarten wie in einem konventionellen Wald.

    Wie Sie selbst Maßnahmen zum Schutz von Nützlingen und zum Erhalt der Artenvielfalt ergreifen können, erfahren Sie im Artikel „Neue Lebensräume für Bienen, Käfer & Co.“.
Eingezäunter Tiny Forest im Park von Haus Berge im Essener Stadtteil Bochold
Im Sommer 2023 entstand auf einem 200 Quadratmeter großen Grundstück im Haus-Berge-Park in Essen-Bochold ein Tiny Forest. Zum Schutz der Pflanzen wurde der Miniwald zunächst eingezäunt.
  • Kühlungseffekte und Luftfiltration: Bäume – und somit auch Tiny Forests – wirken in Städten wie Klimaanlagen. Zum einen spenden sie Schatten, zum anderen geben sie Verdunstungskälte an die Luft ab. Eine Studie von Forscher:innen der Universität ETH Zürich ergab, dass mit Bäumen bewachsene Flächen in Mitteleuropa, also etwa in Deutschland, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden oder Belgien, acht bis zwölf Grad kühler sind als Grünflächen, die nur mit Rasen, Wiesen oder Blumen bewachsen sind. Dazu kommt, dass ein erwachsener Baum über seine gesamte Lebensdauer in etwa so viel Feinstaub und CO2 binden kann, wie ein herkömmliches Auto beim Fahren von 10.000 Kilometern verursacht. Sie tragen also erheblich zur Verbesserung der Luftqualität bei.

    Im Artikel „Blau-grüne Ideen und Konzepte zur Kühlung der Städte“ lesen Sie, mit welchen Methoden Wissenschaftler:innen hoffen, Städte in Zukunft besser kühlen zu können.

     
  • Wasserspeicherung und Schallabsorption: Bäume sind nicht nur gute Temperaturpuffer; sie nehmen auch sehr viel Wasser auf, was gerade vor dem Hintergrund der Zunahme von Extremwetterereignissen wichtig ist. Kommt es zu Starkregenereignissen, saugen sie erhebliche Mengen Wasser auf und schützen so vor Überschwemmungen. Zudem dienen Tiny Forests dem Lärmschutz, indem sie Schall absorbieren – und damit auch dem Wohlbefinden der Stadtbevölkerung.

    Im Artikel „So wichtig sind Deutschlands Wälder für unser Klima“ erfahren Sie mehr dazu, wie Wälder das Klima schützen.

Trinkwasser von enercity: Höchste Qualität aus dem Wasserwerk Wald

Auch enercity setzt auf die Kraft des Waldes: Das Unternehmen gewinnt seit mehr als 140 Jahren hochwertiges Trinkwasser aus dem Wassergewinnungsgebiet Fuhrberger Feld. Mehr als 16 Millionen Bäume hat enercity in den letzten 25 Jahren dort gepflanzt. Und jedes Jahr kommen Hunderttausende Laubbäume dazu, die den immergrünen Nadelwäldern Niedersachsens unterpflanzt werden. Der Umbau zu einem Mischforst schützt den Wald vor Wetterextremen wie Dürren oder Stürmen und optimiert ihn zugleich in seiner Funktion als natürliches Wasserwerk.

14. Juni 2024
Klimaschutz

Text: Elena Rudolph. Fotos: Getty Images (2), IMAGO/Funke Foto Services

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