So werden aus alten Solarpanels wieder wertvolle Rohstoffe
Ein paar kleine Häufchen Granulat. So unscheinbar sie wirken, so wertvoll sind sie für die Rohstoffkreisläufe. Hier liegen unter anderem Glas, Aluminium und Kupfer aufgehäufelt. Die grauen, weißen und silbernen Hügel, die in einer Werkhalle in Münster liegen, sind das Endprodukt eines aufwendigen Prozesses. Noch wenige Stunden zuvor waren sie in Solarpanels miteinander verbunden.
Aber wie genau lassen sich gebrauchte Solarpanels so in ihre Bestandteile zerlegen, dass die Rohstoffe möglichst umfassend wiederverwertet werden können? Antworten auf diese Frage zu finden gehört für die Reiling PV-Recycling GmbH & Co. KG zum Tagesgeschäft. Seit Juni 2023 recycelt das Unternehmen in Münster PV-Module auf Siliziumbasis – und bedient damit ein Feld mit Wachstumspotenzial. Denn seit 2015 gelten Solarmodule in Deutschland als Elektroschrott und müssen fachgerecht recycelt werden. Gleichzeitig steigt mit dem Ausbau der Photovoltaik in Deutschland auch das Aufkommen an Solarmodulen, die aufgrund von Alter oder Beschädigungen nicht mehr die volle Leistung erbringen und entsorgt werden müssen.
Vom Glas- zum PV-Spezialisten
Bei Reiling beschäftigt man sich mit dem Thema bereits seit Langem, wenn auch anfangs eher unfreiwillig. Bis vor rund 20 Jahren kümmerten sich die Mitarbeitenden des Recyclingunternehmens am Hauptsitz im westfälischen Marienfeld um die Verwertung von Glas. Dazu zählen Behältergläser ebenso wie Flachgläser, beispielsweise Fenster. „Ab ungefähr 2005 lagen in den Glasmulden ab und zu auch vereinzelte, gebrochene Solarpanels. Denn die Menschen wussten nicht, wo man diese richtig entsorgen kann“, erinnert sich Geschäftsführer Tom Reiling. Da die Panels zu gut 75 Prozent aus Glas bestehen, habe man diese kurzerhand ebenfalls recycelt. Grundsätzlich kein Problem, denn der Recyclingprozess bei einem Solarpanel laufe im Prinzip ähnlich wie bei einem Fenster ab: Die Module werden zunächst zerkleinert, dann trennen Spezialmaschinen die unterschiedlichen Wertstoffe voneinander, unter anderem mithilfe von Magneten und Sieben.
Der Teufel steckt aber im Detail. Denn die Zusammensetzung eines PV-Moduls ist deutlich komplexer, weil die verschiedenen Materialien – darunter Folien, Glas, Metalle und Halbmetalle – sehr fest miteinander verklebt sind. „Ein PV-Modul ist auf Langlebigkeit ausgerichtet, das steht der Recyclingfähigkeit entgegen“, so Reiling. Das macht es erforderlich, die Module wesentlich feiner aufzubereiten, was wiederum das Trennen der Materialien erschwert. „Den funktionierenden Recyclingprozess dafür mussten wir erst entwickeln“, erklärt Tom Reiling.
Immer wieder justierten die Spezialist:innen des Unternehmens ihre Maschinen, bauten neue Vorrichtungen um oder an, um immer bessere Ergebnisse zu erzielen. Nur um nach ein paar Jahren festzustellen, dass sich die Mühe vielleicht nicht gelohnt hatte – denn das Aufkommen brach um das Jahr 2010 herum drastisch ein. „Anfangs bekamen wir fast ausschließlich Produktionsabfälle aus der Solarindustrie geliefert. Als sich die Herstellung nach Asien verlagerte, fiel das weg“, sagt Reiling. Seit einigen Jahren habe sich der Trend jedoch wieder umgekehrt: „Jetzt werden mehr und mehr Panels angeliefert, die ihr Lebensende erreicht haben.“
Spätestens ab 2029 rechnen Expert:innen damit, dass in Deutschland große Mengen an gebrauchten Panels in die Verwertung gehen. Denn dann werden voraussichtlich Module aus der ersten durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geförderten Ausbauwelle zwischen 2009 und 2011 das Ende ihrer Lebensdauer erreichen. Die Firma Reiling allein recycelte im Jahr 2022 bereits 5500 Tonnen an Modulen, 2023 waren es rund 8000 Tonnen, Tendenz steigend. Ab 10.000 Tonnen jährlich würde es sich lohnen, dafür einen eigenen Standort zu betreiben, rechnete die Unternehmensführung – und gründete das Tochterunternehmen in Münster. „Damit sind wir eines der ersten Unternehmen in Deutschland, das PV-Zellen in industriellem Maßstab recycelt“, sagt Reiling.
Auch Silizium soll wiederverwertet werden
Um dort optimale Ergebnisse zu erzielen, hat das Unternehmen nicht nur eigene Maschinen und Prozessabfolgen entwickelt, sondern arbeitet auch mit den Fraunhofer-Instituten für Solare Energiesysteme (ISE) und für Silizium-Photovoltaik (CSP) zusammen. Denn bis vor Kurzem konnte das Silizium beim Recyclingprozess lediglich ausgesondert, aber nicht recycelt werden.
Unterschiedliche internationale Projekte versuchen derzeit, dieses Problem zu lösen. Im Forschungsprojekt Photorama, dem 13 europäische Forschungsinstitute und Industrieunternehmen angehören, etwa werden die Folien durch sogenannte Delimanierung von Glas und Solarzelle getrennt. Das beteiligte Unternehmen LuxChemtech aus Freiburg hat ein Verfahren entwickelt, mit dem Silizium, aber auch Indium in Methansulfonsäure aufgelöst und elektrochemisch von den Zellen getrennt werden können. Das EU-Projekt ReProSolar trennt die Folien durch blitzartige Lichtpulse von den Siliziumzellen, wodurch die Zellen sich kurzzeitig auf bis zu 100 Grad aufheizen, sodass sich die Folie löst. Die von der EU unterstützte Initiative Elsi setzt ebenfalls auf thermische und elektrochemische Prozesse, um die Folien abzutrennen und das Silizium zurückzugewinnen.
In dem Forschungsprojekt, für das Reiling mit dem Fraunhofer-Center CSP zusammenarbeitet, wurde ein skalierbarer Recyclingprozess entwickelt, um in einem ersten Schritt das feine Glas und das Silizium voneinander zu trennen. Zusätzlich werden die elektrischen Kontakte und andere Störstoffe in einem nasschemischen Ätzprozess vom Silizium getrennt und daraus neue Zellen gefertigt. „Es ergibt ja keinen Sinn, einfach grünen Strom zu produzieren, aber am Ende die verwendeten Rohstoffe nicht wieder in die Kreisläufe zurückzubringen“, sagt Tom Reiling.
Genau das könnte ohne wirksame Recyclingmethoden passieren. Schließlich fallen schon jetzt deutschlandweit jährlich rund 10.000 Tonnen PV-Module an. Ab 2029 rechnen Expert:innen mit mehreren Hunderttausend Tonnen im Jahr. Darum setzt Reiling darauf, dass sich die positiven Forschungsergebnisse möglichst bald in industriellem Stil umsetzen lassen. „Das bedeutet für uns, dass wir mit unserer Arbeit tatsächlich auch etwas für die Umwelt tun können.“
Nutzen Sie die Kraft der Sonne!
Mit einer Photovoltaikanlage plus Energiespeicher von enercity können Sie die Sonnenenergie von Ihrem Dach nutzen und ganz einfach einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Außerdem sind Sie durch unsere Komplettlösungen unabhängig vom Strompreis und sparen bei den jährlichen Stromkosten.
Newsletter abonnieren
Sie möchten regelmäßig über innovative Technologien und spannende Fakten rund um die Themen Energie und Klimaschutz informiert werden? Dann abonnieren Sie den Newsletter unseres Energiemagazins #positiveenergie!