Mutter mit Tochter im Zelt
Kraftwerksreserven

So wird die Stromversorgung gesichert

Kraftwerksreserven sollen Stromengpässe in Deutschland verhindern. Wir erklären, was Netzreserve, Kapazitätsreserve und Sicherheitsbereitschaft voneinander unterscheidet.

Die Stromversorgung in Deutschland soll jederzeit sicher gewährleistet sein. Darum hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren mehrere Sicherheitsmaßnahmen für Notsituationen umgesetzt: die Netzreserve, die Kapazitätsreserve und die Sicherheitsbereitschaft. Jede der drei verschiedenen Kraftwerksreservekapazitäten steht für einen ganz konkreten Anwendungsfall.

Engpässe im Stromnetz: Netzreserve

4.616
Megawatt
beträgt der prognostizierte Bedarf an Netzreserveleistung für den Winter 2023/24.

Die Netzreserve kommt zum Einsatz, wenn in einer Region Deutschlands mehr Strom nachgefragt wird, als in das Stromnetz eingeleitet werden kann. Sie wird auch als „Kaltreserve“ oder „Winterreserve“ bezeichnet. Denn in den Wintermonaten ist die Strom-Nachfrage in Süddeutschland oft sehr hoch. Dafür produzieren in dieser Zeit die Windkraftanlagen in Norddeutschland besonders viel Strom, der aber wegen Engpässen im deutschen Stromnetz nicht nach Süden durchgeleitet werden kann. Dann müssen im Süden Kraftwerke hochgefahren werden, um den Bedarf abdecken zu können.

Hierfür steht die Netzreserve bereit. Dafür werden Anlagen in Bereitschaft gehalten, die vorläufig oder dauerhaft stillgelegt werden sollen und schon keinen Strom mehr für den regulären Strommarkt produzieren. Meist handelt es sich um Steinkohle- oder auch Gaskraftwerke. Diejenigen Anlagen, die von den vier großen Übertragungsnetzbetreibern als systemrelevant eingestuft werden, können im Bedarfsfall kurzfristig hochgefahren werden, um die erhöhte Strom-Nachfrage zu bedienen. Hinzu kommen Kraftwerkskapazitäten aus geeigneten Anlagen im europäischen Ausland. Die Übertragungsnetzbetreiber ermitteln einmal jährlich im Voraus, wie viele Erzeugungskapazitäten aus den Anlagen der Netzreserve voraussichtlich benötigt werden.

Eine Gruppe von sieben Windkraftanlagen steht in einer norddeutschen Landschaft
Weil Windenergieanlagen in den Wintermonaten durch ein dann größeres Windaufkommen besonders viel Strom produzieren, können sie die dann geringere Energieerzeugung der Solaranlagen ausgleichen.

Seit dem 1. Oktober 2022 dürfen Anlagen aus der Netzreserve – anders als ursprünglich geplant – wieder am Strommarkt teilnehmen. Ihre Betreiber können sie also auch ohne ein konkretes Nachfrage-Hoch einsetzen und den erzeugten Strom regulär vermarkten. Hintergrund ist der russische Überfall auf die Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise. Die Regel gilt vorläufig bis zum 31. März 2024.

Die Kosten für die Bereithaltung der Netzreserve werden über die Netzentgelte abgedeckt, die Verbraucherinnen und Verbraucher über den Strompreis entrichten. Zu diesen Kosten zählen unter anderem das Vorhalten der Anlage selbst, Personalkosten, Instandhaltungs- und Nachbesserungskosten sowie der Strom, den die Anlage verbraucht.

Zu hohe Nachfrage nach Strom: Kapazitätsreserve

Die Kapazitätsreserve kommt zum Einsatz, wenn der Großhandelsmarkt für Strom die Nachfrage nicht abdecken kann. Auch dies geschieht vor allem im Winter – unter anderem, weil PV-Anlagen in dieser Zeit am wenigsten Strom produzieren. Darum werden seit dem Winterhalbjahr 2021/22 Erzeugungsanlagen vorgehalten, die nicht mehr aktiv an den Strommärkten teilnehmen. Im Bedarfsfall erhöhen sie auf Anforderung der Übertragungsnetzbetreiber ihre Leistung. Damit sie in die Kapazitätsreserve aufgenommen werden können, müssen Anlagen imstande sein, in weniger als zwölf Stunden den Betrieb aufzunehmen. Auch bei der Kapazitätsreserve werden die Kosten für das Vorhalten dieser Leistung über die Netzentgelte abgedeckt.

Blick auf eine Agri-PV-Anlage in einer schneebedeckten Landschaft
Nur etwa 30 Prozent des Jahresertrags einer Photovoltaikanlage werden im Winterhalbjahr erzielt.

Wenn nichts mehr geht: Sicherheitsbereitschaft

Bei der sogenannten Sicherheitsbereitschaft handelt es sich um Kraftwerksreservekapazitäten, die zum Einsatz kommen, wenn keine andere Maßnahme – einschließlich Netzreserve und Kapazitätsreserve – ausreicht, um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten. Dafür wurden ab 2016 nach und nach fünf Braunkohlekraftwerke mit insgesamt acht Blöcken bereitgehalten, die zuvor im Zuge des Kohleausstiegs stillgelegt worden waren. Manchmal wird darum auch der Begriff „Kohlereserve“ verwendet. Für das Vorhalten der Reserve erhielten die Anlagenbetreiber eine Vergütung, die ebenfalls auf die Netzentgelte umgelegt wurde. Bislang wurde die Sicherheitsbereitschaft nie aktiviert.

Spätestens vier Jahre nach ihrer Aufnahme in die Sicherheitsbereitschaft sollten alle acht Kraftwerksblöcke endgültig stillgelegt werden. Da 2019 die letzten Kraftwerke aufgenommen wurden, müssten Ende 2023 eigentlich die letzten von ihnen endgültig vom Netz genommen werden. Tatsächlich sind im Lauf der Jahre fünf Kraftwerksblöcke aus der Sicherheitsbereitschaft abgeschaltet worden. Die verbliebenen drei aber wurden 2023 in die neu geschaffene „Versorgungsreserve“ überführt, und dürfen befristet bis zum 31. März 2024 wieder am Strommarkt teilnehmen.

31. Juli 2023
Erneuerbare Energien
Klimaschutz
Ökostrom

Text: Claus Hornung. Fotos: Getty Images.

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