Energie sparen mit der Künstlichen Intelligenz?
In den vergangenen 31 Jahren wurde der Treibhausgasausstoß in Deutschland um rund 39 Prozent reduziert – durchschnittlich um 1,3 Prozentpunkte pro Jahr. Bis 2030 sollen es laut Beschluss der Bundesregierung 65 Prozent sein. Das bedeutet konkret, dass zukünftig jedes Jahr im Schnitt mehr als acht Prozent der Emissionen eingespart werden müssen. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat jedoch die Debatte um Energiewende, Versorgungssicherheit und künftige Energieträger verschärft. Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), fordert daher mehr Tempo und Konsequenz bei der Energiewende. „Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren beherzt vorantreiben“, sagt Bonde, „das allein reicht aber nicht.“ Und weiter: „Neben einem schnelleren EE-Ausbau brauchen wir zugleich mehr Energieeffizienz – also kluge Maßnahmen vom Dämmen bis zum Heizen, besonders im alten Gebäudebestand.“
Fest steht: Mit einem bewussteren Energieverbrauch in Privathaushalten allein können die Klimaziele nicht erreicht werden. Der Fokus muss – neben dem Ausbau erneuerbarer Energien – vor allem auf der Energieeffizienz von Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen liegen. Für eine erfolgreiche Umsetzung muss sich also die Art und Weise verändern, wie wir in Zukunft arbeiten. Wenn es nach den Expert:innen der Deutschen Energie-Agentur (dena) geht, wird der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) dabei eine zentrale Rolle spielen. „Effizienzmaßnahmen, technische Weiterentwicklungen und auch Künstliche Intelligenz sind Teil eines kraftvollen Energiepakets, um im Kampf gegen die Klimakrise zu bestehen“, meint auch Bonde.
KI-Technologien haben enormes Klimapotenzial
Laut einer Studie des Capgemini Research Institute könnten Unternehmen der Automobilbranche, der Fertigungsindustrie, der Energie- und Versorgungswirtschaft, der Konsumgüterindustrie sowie des Einzelhandels durch KI-gestützte Anwendungen ihre Treibhausgasemissionen in den nächsten drei bis fünf Jahren um durchschnittlich 16 Prozent reduzieren. Die Analyse von mehr als 70 KI-Anwendungsfällen ergab, dass der Einsatz von KI bei Energieverbrauchs- und Energieoptimierungsplattformen, Algorithmen zur Ausfallprognose sowie zur automatischen Erkennung von Störungen und Leckagen in Industrieanlagen die Einsatzmöglichkeiten mit der größten Wirkung für den Klimaschutz darstellen.
Das menschliche Gehirn als Blaupause
Ein konkretes Anwendungsbeispiel liefert das Forschungsprojekt Fu2-Experte. Hier haben Forschende ein auf KI basierendes System entwickelt, das bei der Produktion von Tierfutterpellets 20 Prozent energieeffizienter arbeitet. Dazu braucht die KI aber Unterstützung von Menschen. Sie nutzt nämlich die Erfahrungen der Mitarbeitenden in den verschiedenen Prozessabschnitten und ermittelt anhand dieser Datengrundlage die optimale Produktionsweise. Die Optimierung ist damit nicht etwa abgeschlossen, denn Künstliche Intelligenz lernt im Idealfall nie aus. Diese Fähigkeit wird als „Deep Structural Learning“ bezeichnet. Es basiert auf der Verwendung künstlicher neuronaler Netze, die die Grundstrukturen des menschlichen Gehirns nachbilden. In Verbindung mit kontinuierlichen Datenströmen wird so maschinelles Lernen ermöglicht. Die KI erkennt komplexe Muster und kann daraufhin Vorhersagen tätigen oder sinnvolles Handeln wie etwa Regulierungen bei Druck, Geschwindigkeit oder Temperatur auslösen.
Gleicher Komfort, weniger Verbrauch
Neben Smart-Industries-Beispielen gibt es zudem bereits erfolgreiche Smart-Building-Lösungen. Überlässt man einer KI beispielsweise die Steuerung eines Gebäudes, können dabei 30 Prozent Energieeinsparung herauskommen, wie Google in Zusammenarbeit mit dem Londoner KI-Entwickler Deepmind zeigt. Im Verlauf der Studie sollte eine KI selbstständig Strategien zum Heizen, Kühlen und Klimatisieren von Gebäuden entwickeln. Allein durch die intelligente Gebäudekühlung konnten zwischen 9 und 13 Prozent Energie eingespart werden, ohne den Komfort für die Bewohner:innen zu senken. Ein besonders wichtiger Erfolg, denn laut der Internationalen Energie Agentur (IEA) macht die Kühlung von Wohn- und Geschäftsgebäuden rund zehn Prozent des gesamten weltweiten Stromverbrauchs aus. In Deutschland entfällt sogar die Hälfte des jährlichen Energieverbrauchs auf Wärme- und Kältesysteme. Ein gesenkter Bedarf reduziert Emissionen deshalb erheblich und entlastet so das Klima.
Stabile Netze und mehr Versorgungssicherheit
Um KI zukünftig auch stärker in der Energiewirtschaft zu etablieren, sind vor allem ein stärkerer Austausch unter den Akteuren sowie Pilotprojekte und Nachhaltigkeitskonzepte notwendig, meint Christoph Scholten, Leiter des Referats Digitalisierung der Energiewende im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). „Künftig werden wir mehr und mehr KI-Komponenten in allen Stufen der Wertschöpfungskette sehen“, so Scholten. „Damit diese erfolgreich im Gesamtsystem zusammenspielen, ist es notwendig, schnell Wissen aufzubauen, um die Basis für eine ganzheitliche Strategie zur Anwendung von Künstlicher Intelligenz für die Energiewirtschaft zu legen.“ Ein Anwendungsbeispiel sind Erneuerbare-Energien-Anlagen, bei denen KI-gestützte Analysen von Wetter- und Sensordaten genauere Prognosen zur Stromproduktion ermöglichen, wodurch sich wiederum die Netzstabilität sichern und die Versorgungssicherheit erhöhen lässt.
enercity-Lösungen für smarte Kliniken
Der Einsatz Künstlicher Intelligenz und innovativer Technologien wird auch bei enercity vorangetrieben. Ob im Energiesektor, in Gebäuden oder Städten – die smarten Lösungen sind in ganz unterschiedlichen Branchen einsetzbar. In der Sophienklinik hilft das Internet der Dinge (IoT) dabei, Energieverschwendung zu vermeiden, das Raumklima in Patientenzimmern zu regeln und die Temperatur von Blutkonserven zu überwachen − alles dank enercitys digitaler Expertise.
In Patienten- und Dienstzimmern sowie Funktionsräumen wurden intelligent vernetzte Funksensoren installiert, die die Räumlichkeiten auf den CO2-Gehalt der Luft, die in ihnen herrschende Temperatur und die Luftfeuchtigkeit hin überwachen. Die über die Fühler und Sensoren erfassten Daten werden über eine Antenne auf dem Dach der Belegklinik in Echtzeit an einen Server von enercity geschickt. Sobald die erfassten Messwerte von den Vorgabewerten abweichen, wird automatisch eine Nachricht an das Krankenhaus gesendet. Die Warnhinweise gehen nicht nur im Stationszimmer ein: Das diensthabende Pflegepersonal erhält die Warnungen außerdem per SMS-Nachricht. So können die Mitarbeiter des Krankenhauses entsprechend reagieren. Mehr dazu lesen Sie in unserem Artikel „Auf einen Blick: Was kann ein vernetztes Krankenhaus?“
Mehr Energieeffizienz für Rechenzentren
Bei allen Vorteilen, die Künstliche Intelligenz bietet, und all den Möglichkeiten, die ihr Einsatz im Zusammenhang mit der Steigerung der Energieeffizienz künftig haben kann, müssen dennoch zunächst einige Herausforderungen gemeistert werden. Vor allem die, dass die KI selbst stromsparender werden muss. Weltweit verbrauchen Rechenzentren nach einer Schätzung des US-Energieministeriums etwa 200 Terawattstunden Strom pro Jahr – also mehr als ganze Länder. Die Energie, die durch KI in der Industrie, Gebäudesteuerung und Energiewirtschaft eingespart werden kann, wird derzeit noch durch die Rechenleistung der Computer verbraucht. Aus diesem Grund arbeiten Forscher:innen weltweit parallel an energieeffizienteren Technologien. Wird diese Herausforderung gemeistert, kann Künstliche Intelligenz tatsächlich ein Schlüssel zur erfolgreichen und schnellen Energiewende werden.
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