
Wie die Bionik die Energiewirtschaft voranbringt
Was ist Bionik?
Die Natur ist eine Meisterin der Innovation und Anpassung. Seit Millionen von Jahren entwickeln Pflanzen und Tiere Lösungen, die es ihnen ermöglichen, zu überleben und zu gedeihen. Ihre Strategien sind nicht nur faszinierend, sondern auch äußerst nützlich für die moderne Wissenschaft und Technik. Das Abschauen von der Natur ist sogar eine eigene Wissenschaft: die Bionik. Der Begriff ist aus den Wörtern „Biologie“ und „Technik“ zusammengesetzt und beschreibt, was Bioniker:innen tun: Sie nutzen Eigenschaften von Tieren und Pflanzen, um innovative Lösungen zu finden, die unser Leben verbessern und erleichtern können. Viele Phänomene aus der Natur haben das Potenzial, auch der Energiewirtschaft zu helfen, technologische Innovationen zu entwickeln, die die Effizienz und die Nachhaltigkeit von Erzeugungsanlagen steigern.
Sechs Beispiele für Bionik, die im Energiebereich zum Einsatz kommen
1. Schleiereulen inspirieren geräuschärmere Windenergieanlagen
Ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Bioniker:innen sich die Natur zum Vorbild nahmen, hat mit der Schleiereule zu tun. Die Vögel sind bekannt für ihren nahezu lautlosen Flug, der ihnen einen entscheidenden Vorteil bei der Jagd bietet. Diese Fähigkeit ist das Ergebnis einer speziellen Struktur ihrer Federn, die Geräusche während des Fliegens minimiert. So sind etwa die Vorderkanten der Flügel der Schleiereule mit einer gezackten Struktur versehen.
Diese Zacken brechen die Luftströmung auf, wodurch die Turbulenzen reduziert werden, die normalerweise Geräusche verursachen würden. Dazu kommt, dass die Federn der Schleiereule eine besonders samtige Oberfläche haben, die ebenfalls zur Geräuschreduzierung beiträgt: Die weiche Textur dämpft die Geräusche, die durch die Bewegung der Federn entstehen, und absorbiert Schallwellen, die während des Fliegens erzeugt werden.
Die einzigartigen Eigenschaften der Schleiereulenfedern haben Ingenieurinnen und Ingenieure dazu inspiriert, ähnliche Strukturen in der Entwicklung von Windenergieanlagen zu verwenden. Durch die Nachahmung der Federstruktur der Schleiereule konnten die Rotorblättergeräusche reduziert werden, was zu einem leiseren und effizienteren Betrieb der Anlagen führt.

2. Schmetterlingsflügel als Vorbild für leistungsstärkere Solarinnovationen
Ein weiteres Beispiel für die Entwicklung innovativer Technologien nach tierischem Vorbild betrifft den Schmetterling der Art „Gewöhnliche Rose“. Die tiefschwarzen Flügel dieses Schmetterlings absorbieren Sonnenstrahlen nahezu vollständig. Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) versuchen daher, sie zu kopieren, um die Leistung von Solarpaneelen künftig zu verbessern. Das könnte beispielsweise auch die Effizienz von Solaranlagen im Winter weiter steigern.
3. Haifischhaut-Imitat macht Luftfahrt klimafreundlicher
Auch die Haut von Haifischen hat Forscher:innen zu wertvollen Erkenntnissen geführt. Haie sind Meister der Reduzierung von Reibungswiderstand im Wasser, was ihnen eine schnelle und effiziente Fortbewegung ermöglicht. Diese Eigenschaft hat die Luftfahrtindustrie inspiriert, eine spezielle Folie namens AeroSHARK zu entwickeln, die den Treibstoffverbrauch von Flugzeugen reduziert und somit auch den CO2-Ausstoß verringert, indem sie den Luftwiderstand absenkt.
Die Rillen, auch als Riblets bekannt, lenken die Luftströmung so, dass sie gleichmäßiger und weniger turbulent verläuft. Außerdem beeinflussen sie die sogenannte Grenzschicht: eine dünne Schicht von Luft, die direkt an der Oberfläche von Flugobjekten haftet. Indem sie die Grenzschicht stabil halten und verhindern, dass sie sich ablöst, helfen die Oberflächenstrukturen nach dem Vorbild der Haifischhaut, Energieverluste zu minimieren und somit auch den Treibstoffverbrauch gering zu halten.

4. Termiten-Architektur liefert nachhaltige Heiz- und Kühllösungen
Termiten wiederum sind wahre Architekturgenies – und stehen daher für die Ideen menschlicher Baumeister:innen Modell. Ihre Hügel sind so konstruiert, dass sie eine hervorragende Belüftung und Klimatisierung bieten. Durch die Nachahmung der Termitenhügel können Architekt:innen Gebäude entwerfen, die weniger Energie für Heizung und Kühlung benötigen.
Kopiert wird dabei etwa die komplexe Tunnel- und Kammerstruktur von Termitenhügeln – eine Struktur, die eine effektive Luftzirkulation innerhalb des Bauwerks ermöglicht und die Temperatur und Feuchtigkeit effizient reguliert. Viele Termitenhügel nutzen zudem den sogenannten Kamineffekt, bei dem warme Luft nach oben steigt und durch Öffnungen an der Spitze des Hügels entweicht. Dies zieht kühlere Luft von außen nach, die durch die unteren Öffnungen in den Hügel strömt.
Auch das Baumaterial, das Termiten nutzen, hat viele Vorteile: Ihre Hügel bestehen aus Erde und zerkleinertem Pflanzenmaterial, die beide eine hohe thermische Masse besitzen. Diese Materialien können große Mengen an Wärme speichern und langsam wieder abgeben. Termitenhügel absorbieren tagsüber Wärme und geben sie nachts langsam ab, was hilft, die Innentemperatur stabil zu halten. Die poröse äußere Struktur der Hügel erleichtert außerdem den Austausch von Luft und Feuchtigkeit mit der Umgebung, was zur Regulierung der Luftfeuchtigkeit im Inneren beiträgt.
Das Eastgate Centre in Harare, Simbabwe, ein Einkaufszentrum mit Bürokomplex, entworfen von dem Architekten Mick Pearce, nutzt die Prinzipien der natürlichen Belüftung und Klimatisierung von Termitenhügeln. Ein System von Schächten und Kanälen im Inneren des Gebäudes fördert die Luftzirkulation. Öffnungen an der Spitze des Bauwerks ahmen den Kamineffekt nach, der in Termitenhügeln beobachtet wird. Da das Eastgate Centre aus Materialien mit hoher thermischer Masse errichtet wurde, bleibt die Innentemperatur ohne viel Aufwand stabil, was den Bedarf an aktiven Heiz- und Kühlsystemen reduziert. Insgesamt verbraucht das Eastgate Centre etwa 90 Prozent weniger Energie für die Klimatisierung im Vergleich zu konventionellen Gebäuden ähnlicher Größe.
5. Lotusblume kann Selbstreinigung von PV-Anlagen fördern
Aber nicht nur die Tierwelt, auch die Botanik inspiriert Wissenschaftler:innen zur Entwicklung effizienterer und nachhaltiger Technologien. Die Lotusblume ist bekannt für ihre Fähigkeit, Wasser und Schmutz abzuweisen. Einige Unternehmen und Forschungseinrichtungen entwickeln derzeit hydrophobe Beschichtungen für Solarpaneele, die diese sauberer halten und ihre Effizienz bei der Lichtabsorption erhalten.

6. Königskerze macht Solarenergie effizienter
Ein weiteres Beispiel für bionische Innovation aus der Botanik ist die Königskerze, eine Pflanze aus der Familie der Braunwurzgewächse (Scrophulariaceae). Die speziell strukturierte Oberfläche, die besondere Pigmentierung und die Zellstruktur der Blütenblätter ermöglichen es, Licht sehr effizient zu streuen. Die Eigenschaften der Königskerzenblütenblätter werden in der Entwicklung von lichtstreuenden Materialien genutzt, die auch in der Solarenergie verwendet werden könnten. Durch die Nachahmung dieser Struktur können Solarpaneele mehr Licht einfangen und somit die Energieausbeute erhöhen.
Innovative Lösungen von der Natur inspiriert
All diese Beispiele zeigen, wie die Natur als Inspirationsquelle für technologische Innovationen dienen kann, die die Effizienz und Nachhaltigkeit in der Energiewirtschaft verbessern. Die Bionik bietet der Energiewirtschaft nicht nur innovative Lösungen, sondern auch die Möglichkeit, eine grünere und nachhaltigere Zukunft zu gestalten. Indem wir von der Natur lernen, können wir Technologien entwickeln, die sowohl umweltfreundlich als auch wirtschaftlich vorteilhaft sind.
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