Recht auf Reparatur: Was ändert die neue EU-Richtlinie?
Wer ein Smartphone besitzt, nutzt dieses im Schnitt nur zwei bis drei Jahre. Ein möglicher Grund für die kurze Nutzungsdauer kann sein, dass das Gerät nach dieser Zeit bereits erste Mängel aufweist. Denn Smartphones oder andere elektronische Produkte wie Waschmaschinen oder Staubsauger reparieren zu lassen war bisher mit hohen Kosten und Aufwänden verbunden. Die neue EU-Richtlinie zum Recht auf Reparatur zielt darauf ab, dieses zu ändern und die Instandsetzung reparierbarer Geräte einfacher, günstiger und damit attraktiver zu machen.
Was ist das Recht auf Reparatur, und was besagt es?
Das neue Recht auf Reparatur beinhaltet nicht ein bestimmtes Gesetz, sondern ein umfassendes Bündel an Instrumenten. Die verschiedenen Maßnahmen lassen sich in vier Kategorien einteilen.
1. Reparaturpflicht:
- Hersteller müssen Verbraucher:innen über ihre Reparaturansprüche aufklären.
- Wird ein Gerät innerhalb der bestehenden zweijährigen Gewährleistungspflicht repariert, verlängert sich der Haftungszeitraum um ein weiteres Jahr, was die Reparatur gegenüber einem Neukauf attraktiver macht. Was genau unter dem Begriff „Gewährleistungspflicht“ verstanden wird, erfahren Sie weiter unten in den FAQs.
- Auch nach Ende der gesetzlichen Gewährleistungspflicht sind Hersteller verpflichtet, gängige Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Staubsauger und Smartphones zu reparieren, sofern diese laut EU-Recht technisch instandsetzbar sind. In diesem Zusammenhang soll eine Liste mit Produktkategorien, für welche diese Regelung zutrifft, erstellt und fortlaufend erweitert werden.
- Während der Reparaturzeit haben Verbraucher:innen die Möglichkeit, ein Ersatzgerät zu leihen oder – falls eine Reparatur nicht umsetzbar ist – das eigene kaputte Gerät gegen ein generalüberholtes Modell einzutauschen.
- Überdies sind Hersteller dazu verpflichtet, noch zehn Jahre nach Einstellen der Produktion eines Modells Ersatzteile auf Lager zu haben.
2. Informationen zu Reparaturbedingungen und -dienstleistungen:
- Verbraucher:innen soll möglichst ein europaweites Formular für Reparaturinformationen angeboten werden, das es ihnen ermöglicht, verschiedene Reparaturdienste hinsichtlich Defektart, Kosten und Dauer zu vergleichen.
- Zur Unterstützung des Reparaturprozesses ist die Einrichtung einer europäischen Onlineplattform geplant. Diese Plattform dient dazu, lokale Reparaturdienste, Anbieter:innen von generalüberholten Geräten, Käufer:innen defekter Geräte oder lokale Reparaturinitiativen wie Repair-Cafés zu finden.
3. Belebung des Reparaturmarktes:
- Hersteller sind angehalten, Ersatzteile und Werkzeuge zu fairen Preisen bereitzustellen.
- Zudem dürfen sie keine Vertragsbedingungen und keine technischen Hindernisse schaffen, die Reparaturen erschweren. Insbesondere ist es ihnen untersagt, die Nutzung von gebrauchten oder mit 3-D-Druckern hergestellten Ersatzteilen durch unabhängige Werkstätten zu blockieren oder Reparaturen aufgrund vorheriger Reparaturen durch Dritte abzulehnen.
4. Erschwinglichkeit von Reparaturen:
- Um Reparaturen zu fördern, soll jeder Mitgliedsstaat mindestens eine unterstützende Maßnahme ergreifen. Dies können verschiedene Angebote sein, zum Beispiel Gutscheine für Reparaturen, Reparaturkurse oder die Unterstützung von gemeinnützigen Reparaturinitiativen.
Wann tritt das Recht auf Reparatur in Kraft?
Die neue Richtlinie muss von den 27 EU-Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Gesetz überführt werden. Diese Zweijahresfrist gilt ab dem Zeitpunkt, an dem der Rechtstext der Richtlinie im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden ist. Weigert sich ein Land, die Richtlinie umzusetzen, kann die EU-Kommission nach Ablauf der Frist ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren einleiten.
Für welche Geräte gilt das Recht auf Reparatur?
Bisher umfasst das EU-Recht auf Reparatur alle Produkte, für die bereits EU-Rechtsvorschriften für Reparaturanforderungen definiert wurden. Dazu gehören beispielsweise Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspüler sowie Kühlschränke, Staubsauger, Telefone aller Art, Tablets und E-Bikes. Aktuell sind Kopfhörer nicht von der neuen Regelung betroffen. Laut EU könnten jedoch zukünftig weitere Artikel in den Geltungsbereich des Gesetzes aufgenommen werden.
Warum braucht es überhaupt ein EU-Recht auf Reparatur?
Das Recht auf Reparatur ist ein wichtiger Bestandteil des „europäischen grünen Deals“ – ein Paket politischer Initiativen mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden. Werden kaputte, aber reparable Geräte instand gesetzt statt weggeworfen, sinkt der Ressourcenverbrauch. Zusätzlich werden Treibhausgase und der Energieverbrauch reduziert, da insgesamt weniger Waren produziert werden müssen, wenn einzelne Produkte länger genutzt werden.
Zudem soll das Recht auf Reparatur dazu beitragen, die geplante Obsoleszenz, also die künstlich hervorgerufene Alterung von Produkten, zu minimieren. Denn insbesondere Elektrogeräte stehen immer häufiger unter Verdacht, so konzipiert zu sein, dass sie nach einer bestimmten Nutzungsdauer nicht mehr funktionieren. Hinzu kommt, dass inzwischen bestimmte Komponenten in Geräten wie Smartphones und Lautsprecherboxen so verbaut sind, dass sie gar nicht getauscht werden können. Mit dem neuen Recht auf Reparatur sollen europaweit Gesetze geschaffen werden, die es den Herstellern verbieten, solche reparaturerschwerenden Mechanismen einzubauen.
Im weiteren Sinn unterstützt die neue EU-Richtlinie Verbraucher:innen dabei, einfacher umweltbewusst zu leben. Mehr Tipps und Infos zu einer nachhaltigen Lebensweise finden Sie in unserem Ratgeber „Minimalistisch und nachhaltig leben: So einfach geht’s“.
Welche Regeln für die Reparierbarkeit von Geräten galten bisher?
Seit März 2021 gilt innerhalb der Europäischen Union die Ökodesign-Richtlinie. Diese verpflichtet die Hersteller sogenannter energieverbrauchsrelevanter Produkte – also zum Beispiel von Waschmaschinen und Geschirrspülern – dazu, ihre Produkte reparierbar zu gestalten. Zudem schreibt die Richtlinie die Lieferung von Ersatzteilen innerhalb einer bestimmten Frist, eine Informationspflicht über mögliche Mängel und Reparaturhinweise sowie Rücknahmepflichten für den Handel vor. Einen konkreten Reparaturanspruch auf defekte Geräte gab es bisher allerdings nicht.
Gut zu wissen: Kennen Sie schon die neuen Energieeffizienzlabel von A bis G? Auch in diese Bewertung fließt die Reparaturfreundlichkeit des Produkts mit ein.
Exkurs: Andere Länder, andere Regeln
- Frankreich: Seit dem 1. Januar 2021 muss für bestimmte Geräte wie etwa Laptops, Fernseher, Smartphones und Waschmaschinen ein spezieller Reparatur-Index angegeben werden. Dieser gibt Auskunft über die Reparaturfähigkeit des Produkts. Wer darüber hinaus ein Elektrogerät erwirbt, welches nicht mehr unter die gesetzliche Gewährleistungspflicht fällt, erhält beim Kauf einen finanziellen Bonus zwischen zehn und 45 Euro.
- Rumänien: Der Hersteller muss für die gesamte geschätzte Lebensdauer des Produkts Ersatzteile anbieten können.
- Schweden: Handwerksbetriebe können die Reparatur von Elektrogroßgeräten bis zu 50 Prozent günstiger anbieten, weil der Staat die Differenz zu den eigentlichen Kosten ausgleicht. Verbraucher:innen erhalten eine Steuerermäßigung von 50 Prozent, wenn sie Textilien und Elektrogeräte nachweislich reparieren lassen haben.
Wir beantworten häufig gestellte Fragen:
Wann haben Verbraucher:innen das Recht auf Reparatur?
Wie oft hat die Käuferin oder der Käufer das Recht auf Reparatur?
Was ist der Unterschied zwischen Garantie und Gewährleistung?
Wird die Gewährleistung bei Reparatur verlängert?
Wie lange darf eine Reparatur auf Gewährleistung dauern?
Was ist die Initiative „Right to Repair“?
Habe ich einen Anspruch auf ein Ersatzgerät, wenn mein Gerät in der Reparatur ist?
Gilt das neue Recht auf Reparatur auch für Autos?
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