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Interview zur Fernwärme

Fernwärme ist ein unerlässlicher Part der Energiewende

Damit die Wärmewende in Großstädten gelingt, wird vielerorts der Ausbau des Fernwärmenetzes vorangetrieben. Ein Gespräch mit Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, über die Notwendigkeit des Fernwärmeausbaus.

Professor Quaschning, warum wird aus Ihrer Sicht die Fernwärme ein Schlüsselfaktor bei der Wärmewende sein?

Knapp zehn Prozent des deutschen Gebäudewärmebedarfs werden durch die Fernwärme gedeckt. Oftmals dominieren dabei noch Erdgas oder Kohle als Energieträger. Werden diese schnell durch klimaneutrale Alternativen ersetzt, lässt sich dadurch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz leisten. Auch bestehende Erdgas- oder Erdölheizungen in Gebäuden müssen schnellstmöglich ersetzt werden. Gerade im dicht bebauten Innenstadtbereich kann die Umstellung auf Fernwärme Vorteile gegenüber dem flächendeckenden dezentralen Einbau von Wärmepumpen haben.

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Volker Quaschning ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin.

Welche nachhaltigen und wirtschaftlich vertretbaren Alternativen sehen Sie in Ballungsgebieten für ein Fernwärmenetz?

Alle Heizungssysteme, die nicht auf Erdgas, Erdöl oder Kohle basieren, sind für den Klimaschutz gut. Solarthermische Heizungen oder Holzpellet-Heizungen sind zwei Alternativen. Das größte Potenzial haben jedoch elektrische Wärmepumpen, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden. Wärmepumpen werden momentan oft noch sehr teuer gehandelt. Aber bei ihnen gibt es sehr große Kostensenkungspotenziale.

Hannover setzt bei der Wärmewende auf den Ausbau des Fernwärmenetzes und strebt mit einem umfassenden Maßnahmenkatalog an, bis 2035 klimaneutral zu sein. Halten Sie das für einen realistischen Zeitraum?

Es ist der maximal noch vertretbare Zeitraum. Wenn wir in Deutschland erst nach 2035 klimaneutral werden, können wir das Pariser Klimaschutzabkommen nicht mehr einhalten. Die Folgen der Klimakatastrophe werden dann immer unkontrollierbarer werden. Wenn wir den Klimaschutz und den Erhalt der Lebensgrundlagen der künftigen Generationen ernst meinen, dann müssen und werden wir das Ziel auch erreichen.

Voraussichtlich bis 2026 wird der Energiedienstleister enercity, der für die Fernwärme in Hannover sorgt, komplett auf grüne Wärme setzen. Dazu soll ein bestehendes Kohlekraftwerk durch den Bau von rund zwölf klimaverträglichen Kraftwerken ersetzt werden. Welche regenerativen Energien eignen sich besonders dafür?

Das Energiesystem der Zukunft wird sich massiv von dem heutigen unterscheiden. Künftig werden die Sektoren Wärme, Strom und Verkehr gekoppelt. Darum ist es sinnvoll, große Wärmespeicher in die Wärmenetze zu integrieren. Diese lassen sich über Großwärmepumpen beladen, die mit Überschussstrom aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen betrieben werden. Es geht künftig also nicht mehr darum, einfach nur Kraftwerke zu bauen. Das System muss als Ganzes gedacht werden.

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Knapp zehn Prozent des deutschen Gebäudewärmebedarfs werden durch die Fernwärme gedeckt.

Worauf sollte man bei der Planung von solchen Ersatzanlagen besonders achten? Gibt es Faktoren, die oftmals übersehen werden?

Es gibt das Gerücht, man könne fossiles Erdgas oder Kohle einfach durch grünen Wasserstoff ersetzen. Auf absehbare Zeit werden keine großen Mengen an grünem Wasserstoff zur Verfügung stehen. Außerdem wird grüner Wasserstoff sehr teuer sein. Darum sollte dieser in Fernwärmenetzen möglichst nicht eingesetzt werden oder nur sehr kleine Anteile am Wärmebedarf decken.

In Hannover wird eine Satzung des Stadtrates den Anschluss an das Fernwärmenetz vorgeben. Halten Sie dieses Vorgehen für vertretbar? Oder sollte die Wärmeversorgung den Hauseigentümern selbst überlassen bleiben?

Die Fernwärme ist nicht die einzige Option, Häuser klimaneutral zu beheizen. Optimal gedämmte Gebäude im Passivhausstandard lassen sich meist ohne den Anschluss an das Fernwärmenetz preiswerter klimaneutral heizen. Für diese Option sollte es Ausnahmen geben.

enercity und die Stadt Hannover stellen zusätzliche Fördermittel für den Umstieg auf eine nachhaltige Wärmeversorgung zur Verfügung. Halten Sie die derzeitigen staatlichen Fördermittel für ausreichend in Bezug auf eine zügige Wärmewende?

Nur durch Förderung werden wir die Umstellung der Wärmeversorgung nicht mehr rechtzeitig schaffen. Wir brauchen klare staatliche Vorgaben, wann fossile Heizungen zu ersetzen sind. Die Förderung sollte sich auf die Haushalte begrenzen, die durch die Umstellung finanziell überfordert wären.

Welchen Rat geben Sie regionalen Energiedienstleistern in Bezug auf die Wärmewende?

Sie sollten die Kopplung der verschiedenen Sektoren im Blick haben, sich nicht von falschen Versprechungen einer schnellen und billigen grünen Wasserstoffwirtschaft blenden lassen und alles unternehmen, damit wir in Deutschland bis spätestens 2035 auch wirklich klimaneutral werden.

Wie ist Deutschland bisher aufgestellt in Sachen Klima- beziehungsweise Wärmewende?

Schlecht. In Deutschland dominieren fossile Energieträger die Energie- und Wärmeversorgung. Wir sind massiv von Erdöl und Erdgas abhängig – Energieträger, die kaum noch bei uns gefördert werden können und deren Verbrennung uns immer mehr in die Klimakatastrophe treibt. Hier haben wir in den letzten Dekaden beide Augen fest zugedrückt. Länder wie zum Beispiel Dänemark haben hingegen gehandelt. Dort ist der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen schon seit 2013 nicht mehr erlaubt. Wir müssen in Deutschland die Weichen schnell in die richtige Richtung stellen, ohne dass uns immer dramatischere Krisen jegliche Handlungsfähigkeit zerstören. Ich traue uns in Deutschland aber zu, dass wir aus unseren Fehlern lernen, künftig die richtigen Entscheidungen treffen und zum weltweiten Motor werden können.

Wer noch mehr zum Thema Energiewende von Professor Volker Quaschning wissen möchte, erfährt dies in seinem neuen Buch Energierevolution JETZT!. Darin geht es um Mobilität, ums Wohnen, um grünen Strom und um Wasserstoff: Was führt uns aus der Klimakrise – und was nicht? Erschienen ist es im Hanser Verlag und im Buchhandel erhältlich.

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„Energierevolution JETZT!“, das neue Buch von Volker und Cornelia Quaschning, ist als Hardcover und als Hörbuch erhältlich.

Fernwärme: So schließen auch Sie sich an!

enercity bietet in vielen Stadtgebieten Hannovers klimaschonende Fernwärme an. Schon heute profitieren Tausende von Haushalten, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen wie Schulen oder Krankenhäuser von den vielen Vorteilen der Fernwärmeversorgung – in den kommenden Jahren wird diese Zahl weiter steigen. Ob auch für Ihre Immobilie ein Fernwärmeanschluss verfügbar ist und was zu tun ist, wenn Sie Ihre alte Öl- oder Gasheizung durch Fernwärme ersetzen möchten, erfahren Sie hier:

1. Dezember 2022
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Text: Anne Ruhrmann und Dirk Kirchberg. Illustration: Jörn Kaspuhl. Fotos: Silke Reents, Getty Images.

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