Wie KI uns künftig den Alltag erleichtert
Es ist sechs Uhr morgens. Die Künstliche Intelligenz (KI) in der Wohnung von Jana und Max öffnet Stück für Stück die Jalousien und erhöht damit behutsam die Helligkeit im Schlafzimmer. Parallel wärmt sie die Kaffeemaschine vor und bucht ein autonom fahrendes Auto, das Jana in einer Stunde zu Hause abholen wird. Die Architektin hat heute einen Termin in einem noch zu erschließenden Neubaugebiet in der Region Hannover, da kommt sie um eine Fahrt mit dem Auto nicht herum. Sonst arbeitet sie für gewöhnlich im Homeoffice oder in Co-Working-Spaces in der Nachbarschaft. Max wird mit dem Pedelec zur Arbeit fahren. Dass der Akku vollständig geladen ist, hat die KI bereits überprüft: Geladen wurde er ganz einfach per Induktion über die hauseigene Ladestation.
6:10 Uhr: Die Matratzen beginnen, leicht zu vibrieren. Die Zeiten, in denen Wecker die Menschen abrupt aus dem Schlaf gerissen haben, sind lange passé. Max steht zuerst auf. Er mag kein grelles Licht im Bad, dafür aber Musik. Daher hat die KI die Helligkeit heruntergeregelt und spielt seinen derzeitigen Lieblingssong ab. Die Dusche fängt an, automatisch mit aufbereitetem Grauwasser zu laufen. Mit einem Mix aus gesammeltem Regen- und Grauwasser wird auch die Urban Farm bewässert, die ans Wohnquartier angeschlossen ist und von der die Bewohner ihr Gemüse beziehen. Der verwendete Strom zum Aufheizen des Duschwassers wird ebenfalls nachhaltig produziert: Er wird auf dem Dach mittels Photovoltaikmodulen erzeugt und im Stromspeicher im Keller gespeichert.
Als Max und Jana die Wohnung gegen 7:30 Uhr verlassen, müssen sie nicht daran denken, abzuschließen. Einen Schlüssel haben sie gar nicht: Die KI erkennt anhand ihrer Smartwatches, dass sie ihren definierten Heimbereich verlassen. Das System schließt daraufhin selbstständig ab, schaltet alle Lichter und die Kaffeemaschine aus und schließt die Fenster.
So oder so ähnlich könnte in Zukunft ein typischer Morgen aussehen – wenn Smart-Living-Systeme uns in allen Aspekten des Alltags unterstützen und das Smart Grid die Energie intelligent zwischen allen Teilnehmern am Stromnetz ausbalanciert. Schon jetzt kommt uns vieles davon bekannt vor: Kaffeemaschinen lassen sich bereits heute programmieren, und per App steuern wir nicht nur die Heizung und das Licht, sondern aktivieren auch intelligente Türschlösser. Moderne Niedrigenergiehäuser und Energieeffizienzhäuser wissen schon heute, wann die richtige Zeit zum Lüften ist, damit Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit optimal bleiben. Die Rollläden öffnen und schließen sich automatisch je nach Lichteinfall. Eine Klimaanlage braucht es daher kaum, und das Heizen wird auf ein Minimum reduziert. Smarte Filter halten die Luft frei von Pollen, Schmutz und unangenehmen Gerüchen. Alles ist auf Effizienz, aber auch auf unseren Komfort und unsere Sicherheit ausgelegt. Das spart Geld, Zeit und Emissionen.
Was heute jedoch noch fast ausschließlich auf Smart Homes beschränkt ist, wird sich in Zukunft auf unser gesamtes Umfeld ausweiten. Denn Smart Living ist ein Zusammenspiel von intelligentem Wohnraum und Smart Citys. Erst gemeinsam entfalten sie ihr volles Potenzial, das neben den Bereichen Mobilität, öffentliche Sicherheit, Verwaltung, Abfall- und Wasserwirtschaft und Energieversorgung auch den Gesundheitsbereich und den Klimaschutz einschließt.
KI kann mehr als nur Fernbedienung sein
Klar ist: Es braucht noch viele weitere technische Entwicklungen, bis alles reibungslos ineinandergreift. Für Michael Schidlack, Principal Researcher bei der Smart-Living-Services Plattform ForeSight, gehört dazu auch eine größere Autonomie der eingesetzten KI. Man müsse über das Stadium der „Fernbedienung“ hinauskommen, so Schidlacks Vision: „Es muss so ähnlich wie beim autonomen Fahren funktionieren: Fahrende setzen sich hinters Steuer und werden automatisch an den gewünschten Ort gefahren. Der Mensch muss lediglich das gewünschte Ziel kommunizieren. Die KI agiert situationsabhängig und vorausschauend, folgt also keinen starren Regeln mehr.“
Derzeit ist die Entwicklung einer solchen selbstlernenden KI die größte Herausforderung für die Forscher. Es gibt viele Ansätze, die den Weg für autonome Technologie bereiten, vor allem im Bereich der E-Mobilität. Die Drohnentaxi-Programme in Dubai, Singapur und Los Angeles sind hierfür interessante Beispiele: Schon 2023 soll der kommerzielle Betrieb aufgenommen werden, zunächst mit einem Piloten an Bord. Ab 2025 sind die Flugtaxen nur noch mit KI unterwegs – so der Plan. Denkbar ist dann in den Städten auch Luftlinienverkehr analog zu Bus- und Bahnstrecken, um den öffentlichen Nahverkehr zu entlasten.
Am Boden sorgt derweil der Umstieg von Verbrennermotoren auf Elektroantrieb laut einer Studie des Telematikanbieters Geotab dafür, dass pro Fahrzeug durchschnittlich 40 Tonnen CO₂-Emissionen im Jahr gespart werden können – und so das Klima entlastet wird. Die autonome KI wird auch auf den Straßen immer mehr zum Thema: 2022 schickt MOIA die ersten selbstständig fahrenden E-Autos auf Hamburgs Routen durch die belebten Stadtteile Winterhude, Uhlenhorst und Hohenfelde. Ein geschulter Sicherheitsfahrer wird zunächst noch an Bord sein, um im Notfall eingreifen zu können. 2025 sollen dann alle Tests abgeschlossen sein, und autonomes Fahren soll fester Bestandteil des Alltags werden.
MOIA-CEO Robert Henrich über die Bedeutung autonomen Fahrens„Städte auf der ganzen Welt wollen ihren Verkehr effizienter und klimafreundlicher gestalten. Autonomes Ridepooling kann die städtische Mobilität verbessern, die Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen und damit die Städte zu lebenswerteren Orten machen.“
Ohne Mehrwert kein Erfolg
Das Smart Living der Zukunft ist aber nicht nur auf den realen Raum limitiert, sondern verbindet diesen auch mit der virtuellen beziehungsweise der erweiterten Realität (Augmented Reality). Die bisherigen Anwendungen dieser Technologie beschränken sich in der Regel noch auf Videospiele und Filmprojekte. Bald dürfte die virtuelle Welt jedoch ebenfalls Teil unseres Alltags werden, denn die Entwicklung schreitet rasch voran. Unternehmen können ihren Kunden dann in virtuellen Läden beispielsweise eine Möglichkeit geben, ihre Produkte auszuprobieren und sich in Ruhe umzusehen, ohne dass sie dafür das Haus verlassen müssen. IKEA verfolgt diesen Ansatz der virtuellen Umgebung bereits. Und auch Peloton, ein US-amerikanischer Anbieter für Fitnessgeräte, zeigt seinen Kunden mittels AR in der App, wie ein Fitness-Bike bei ihnen zu Hause aussehen könnte.
Eine andere Einsatzmöglichkeit wäre die virtuelle Schulung von Fachkräften im Umgang mit bestimmten Arbeitsgeräten. Durch die Verschmelzung von virtueller und realer Umgebung lassen sich in der erweiterten Realität schon heute Informationen über Objekte oder Bedienungsanweisungen für Geräte ins Sichtfeld einblenden. Für eine noch wirklichkeitsgetreuere Erfahrung forschen Wissenschaftler jetzt daran, haptische Feedbacks in der Luft zu erzeugen – etwa durch Ultraschallwellen. So könnte man die virtuellen Dinge auch fühlen. Damit die Smart-Living-Technologie für uns attraktiv wird und sich langfristig durchsetzen kann, ist es enorm wichtig, dass sie einen praktischen Nutzen und damit verbunden einen Mehrwert hat.
KfW-Vorstand Dr. Ingrid Hengster über die Zukunftsfähigkeit von Smart-Living-Ansätzen„Technisch ist ganz vieles machbar, aber es geht immer darum, etwas zu schaffen, das Bürger akzeptieren und gern nutzen, weil es für sie einen Mehrwert bedeutet. Damit verbreitet es sich dann auch weiter.“
Was bremst Smart Living aus?
Mittlerweile gibt es viele unterschiedliche Angebote und Leuchtturmprojekte. Der Realitätscheck zeigt allerdings, dass unsere Umwelt noch lange nicht smart genug ist. Die intelligente Straßenbeleuchtung, die smarte Mülltonne oder die digitalen Parkplätze, die automatisch ihre Verfügbarkeit melden, müssen sich erst noch in unserem Alltag etablieren. Den Grund dafür, dass die neuen Technologien noch kein Mainstream sind, sehen Experten in einem fehlenden Masterplan. Noch immer gibt es keine endgültige Antwort auf die Frage: Was will Smart Living – und damit ein intelligentes Zuhause – in einer intelligenten Stadt erreichen?
Für Michael Lobeck, Berater im Bereich Stadt- und Regionalentwicklung, ist das Ziel eindeutig: Es braucht ganzheitliche Lösungen für die immer wieder neuen Herausforderungen unserer Gesellschaft, die letztendlich den Menschen ein gutes Leben ermöglichen. „Dabei nutzen sie selbstverständlich alle aktuell verfügbaren Technologien – vom Bleistift bis zur Künstlichen Intelligenz.“ Im Klartext heißt das: globale Weiterentwicklung statt abgeschlossene regionale Projekte. KfW-Vorstand Dr. Ingrid Hengster sieht das ähnlich. Für sie muss aber auch immer die Ausgangssituation berücksichtigt werden: „Wenn man sich eine Smart City wie Masdar in Abu Dhabi oder Songdo in Südkorea anschaut, kann man sicher den Eindruck bekommen, dass dies ganz andere Dimensionen sind. Allerdings sind das auch Orte, an denen ganze Städte oder zumindest Stadtviertel von Grund auf neu konzipiert werden, was ganz andere Möglichkeiten bietet.“ Damit auch wir in Zukunft noch intelligenter leben können und sich smarte Technologien wirklich durchsetzen, muss in Deutschland dagegen der Spagat zwischen neu errichteten smarten Quartieren und der vorhandenen Infrastruktur gelingen.
Smart Living mit enercity
Rund drei Viertel unseres Energieverbrauchs entfallen aufs Heizen. Mit smarten Heizthermostaten steuern Sie Ihre Heizung ganz komfortabel von überall per Smartphone und senken so Ihren Energieverbrauch um bis zu 30 Prozent.
Text: Annika Schmitz. Fotos: Volkswagen AG (Header), EFFEKT Architects (2), Tim Wulf Photography für ForeSight, IngoBarenschee / Volkswagen AG, Volkswagen AG, KfW, Michael Jun Park/laif.
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