Sauberer Umbau in Stöcken
Mehr als 150 Jahre lang hat die Kohle Deutschland geprägt. Entlang von Emscher und Ruhr, im größten Bergbaurevier Europas, holten die Arbeiter zu den Spitzenzeiten Anfang des 20. Jahrhunderts jährlich mehr als 100 Millionen Tonnen aus den Tiefen. Doch die Nutzung von Stein- und Braunkohle zur Energieerzeugung ist nicht mehr zeitgemäß: Die fossilen Brennstoffe sind nicht kompatibel mit dem globalen Ziel, den Klimawandel zu bremsen.
Bis 2050 will Deutschland klimaneutral werden, um seiner Verpflichtung aus dem Pariser Klimavertrag nachzukommen und zur Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius beizutragen. Um das zu erreichen, muss sich die deutsche Energiebranche radikal transformieren und den Anteil nachhaltig produzierter Energien wie Wind- und Sonnenstrom signifikant steigern. Der von der Bundesregierung im Sommer 2020 beschlossene Kohleausstieg ist ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie.
Steinkohleausstieg bis 2030 bei enercity: „Der Plan steht“
Auch enercity steigt aus der Kohleverstromung aus – und hat sich dabei ein deutlich ehrgeizigeres Ziel gesteckt als die nationalen Vorgaben. Bis 2025 will das Unternehmen den ersten Block seines mit Steinkohle betriebenen Gemeinschaftskraftwerks in Hannover-Stöcken abschalten, 2030 den zweiten. Damit beendet enercity das „Kapitel Kohle“ rund acht Jahre vor dem gesetzlichen Ende der bundesweiten Kohleverstromung 2038.
Eine komplexe Entscheidung für das Unternehmen, immerhin nimmt das 1989 in Betrieb genommene Kraftwerk in Stöcken mit 230 Megawatt elektrischer Leistung und 425 Megawatt maximaler Wärmeauskopplung eine tragende Rolle im Produktionsportfolio des Unternehmens ein. „Wir haben uns für die Entscheidung viel Zeit genommen und zahlreiche Szenarien durchgespielt“, erklärt Vorstandsvorsitzende Dr. Susanna Zapreva. „Jetzt steht der Plan, und wir freuen uns auf die zügige Umsetzung.“
In den kommenden Jahren wird der Standort Stöcken Stück für Stück umgerüstet, sodass hier saubere Energie aus erneuerbaren Ressourcen produziert werden kann. 500 Millionen Euro nimmt enercity hierfür insgesamt in die Hand. Erdgas als Brückentechnologie soll dabei explizit nicht zum Einsatz kommen: „Wenn schon Wandel, dann richtig“, so Zapreva.
Ein erstes Puzzlestück der Kohleausstiegsstrategie nimmt heute schon Gestalt an: Auf dem Kraftwerksgelände wird enercity bis 2025 ein neues Biomasseheizwerk bauen (weitere Informationen hier). Die vorgesehene Anlage soll 80 Megawatt (MW) leisten und jährlich rund 415 Gigawattstunden (GWh) Wärme für die Fernwärmeversorgung in Hannover und industrielle Abnehmer erzeugen.
Jährliche Einsparung von 1,3 Millionen Tonnen CO₂ ab 2030
Der Entschluss zum vorzeitigen Kohleausstieg folgt der strategischen Ausrichtung des hannoverschen Energiedienstleisters, der seit mehreren Jahren die konsequente Umstellung auf eine nachhaltige, klimafreundliche Energieproduktion forciert. 2019 betrug der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion von enercity bereits 38,4 Prozent, bis 2030 sollen die Erneuerbaren sogar 80 Prozent der Gesamtstromproduktion ausmachen. Der Anteil erneuerbarer Wärme im Erzeugungsportfolio soll im selben Zeitraum auf 75 Prozent steigen. Neben Wind- und Sonnenenergie spielt für enercity die aus industriellen Prozessen oder der thermischen Verwertung von Abfällen und Klärschlämmen gewonnene Fernwärme eine zentrale Rolle.
Mit dieser Strategie leistet enercity einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der deutschen Klimaziele: Rund 1,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid wird das Unternehmen damit ab 2030 jährlich einsparen – verglichen mit dem Stand von 2020 entspräche das einer Reduzierung von 90 Prozent.
2038 ist Schluss: Deutschland steigt aus der Kohle aus
Nach den Plänen des Bundesumweltministeriums (BMU) wird die verbleibende Kohlekraftwerkskapazität durch die Abschaltung immer weiterer Kraftwerksblöcke bis spätestens 2038 Schritt für Schritt heruntergefahren. Für die Abschaltung erhalten die Betreiber von Braunkohlekraftwerken Entschädigungszahlungen nach einem festgelegten öffentlich-rechtlichen Vertrag. Die Abschaltung der Steinkohlekraftwerke wird zunächst über Ausschreibungsverfahren geregelt: Betreiber, die in einer Ausschreibung den Zuschlag erhalten, dürfen in ihrem Kraftwerk keine Steinkohle mehr einsetzen und erhalten im Gegenzug eine Stilllegungsprämie. Ab 2026 treten gesetzlich verordnete Stilllegungen an die Stelle des Ausschreibungsverfahrens.
Durch dieses Verfahren soll die verfügbare Kohlekraftwerkskapazität von derzeit knapp 40 Gigawatt auf rund 30 Gigawatt zum Ende des Jahres 2022 sinken, davon jeweils 15 Gigawatt im Braun- und im Steinkohlesektor. Ende 2030 sollen nur noch 17 Gigawatt Kapazität verbleiben. Immer wieder wird überprüft, ob die Abschaltungsfristen gegebenenfalls vorgezogen werden können, um einen Ausstieg eventuell schon bis 2035 umzusetzen.
Text: Redaktion #positiveenergie. Fotos: Getty Images, Shutterstock, enercity AG.
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