Virtuelle Darstellung von Ertrag und Effizienz von Windkraftanlagen
Dezentrale Energieversorgung

Intelligente Energie durch virtuelle Kraftwerke

Wie sieht die Zukunft der Energieversorgung aus? Eine Möglichkeit, die Stromnetze gegen Schwankungen bei der Produktion von erneuerbaren Energien abzusichern, ist der Zusammenschluss von Windparks und Solaranlagen zu virtuellen Kraftwerken. Solche Zusammenschlüsse ermöglichen stabile Netze und eine zuverlässige Stromversorgung.

Der Wind weht, wann und wie er möchte, und auch die Sonneneinstrahlung ändert sich je nach Wetter, Tages- und Jahreszeit. Damit schwankt zugleich die Stromerzeugung aus diesen erneuerbaren Energiequellen: Manchmal liefern Wind und Sonne mehr Strom, als Haushalte und Industrie gerade benötigen, manchmal weniger. Allerdings ist das Stromnetz nur dann stabil, wenn stets in etwa so viel Strom eingespeist wie verbraucht wird. Ansonsten drohen schnell Überlastung oder Strommangel. Doch Verbraucher müssen sich zu jeder Zeit auf eine zuverlässige Stromversorgung verlassen können.

Was sind virtuelle Kraftwerke, und wie tragen sie zur Energiewende bei?

Um die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen stets exakt an den aktuellen Bedarf anzupassen, verbinden immer mehr Anbieter Photovoltaikanlagen und Windparks zusammen mit Biogasanlagen, Stromspeichern sowie Blockheiz- und Wasserkraftwerken zu sogenannten „virtuellen Kraftwerken“ oder „Schwarmkraftwerken“. Diese Netzwerke werden von einem zentralen Leitsystem überwacht, gesteuert und koordiniert. Auf diese Weise entstehen virtuelle Anlagen aus Hunderten oder gar Tausenden Produktionsstätten, die über Städte, Regionen oder sogar das ganze Land verstreut liegen. Gemeinsam können manche von ihnen so viel Strom liefern wie große Atom- oder Kohlekraftwerke. Virtuelle Kraftwerke leisten einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende, indem sie für Sicherheit und Flexibilität in der Produktion von grünem Strom sorgen.

Beispielhafter Aufbau eines virtuellen Kraftwerks
Den Verbund von dezentralen Stromerzeugungseinheiten wie Photovoltaik-Anlangen, Wasser- und Windkraftwerken nennt man virtuelles Kraftwerk.

Wie funktioniert die dezentrale Energieversorgung?

Die ausgefeilten Algorithmen dieser virtuellen Kraftwerke erfassen in Echtzeit alle angeschlossenen Anlagen und reagieren blitzschnell auf jede Veränderung im Stromnetz. Ist die aktuell produzierte Menge zu niedrig – beispielsweise während einer Windflaute – oder der Bedarf höher als normalerweise, kurbelt das System kurzerhand die Produktion an. Dazu schaltet es angeschlossene erneuerbare Energieerzeuger zu dem Netzwerk hinzu, die sich unabhängig vom Wetter verlässlich steuern lassen – also etwa Biogasanlagen oder Wasserkraftwerke.

Ist andersherum die Produktion höher als der Bedarf, bremst das virtuelle Kraftwerk die Produktion und speichert überflüssigen Strom zum Beispiel in Batteriespeichern. Der Mannheimer Energiedienstleister MVV und der Industriekonzern ABB beispielsweise haben sogar eine Lösung für Industriegroßkunden entwickelt, die deren Produktionsanlagen in virtuelle Kraftwerke integriert. Die Anlagen können dann überflüssigen Strom sofort aus dem Netz ziehen. Zusätzlich stellen virtuelle Kraftwerke Prognosen über die Wetterlage und den zu erwartenden Strombedarf auf. Auf diese Weise sorgen sie für stabile Netze und eine sichere Stromversorgung.

Kann jeder Teil eines virtuellen Kraftwerks werden?

Die dezentrale Energieversorgung ist aber nur einer der Vorteile der virtuellen Kraftwerke: Über die ausgeklügelte Software können Betreiber von Photovoltaikanlagen oder Windparks ihren Strom auch verkaufen – und zwar genau dann, wenn der Preis für sie besonders günstig ist. Denn Strom kostet nicht immer gleich viel: Der Preis für Strom, der noch am selben Tag geliefert wird, wird an Strombörsen wie EPEX SPOT alle 15 Minuten neu festgelegt. Die Software wertet deshalb jeweils den günstigsten Zeitpunkt zum Verkauf aus. Dank der Bündelung können auch kleine oder mittlere Erzeuger ihren Strom auf jenen Märkten anbieten, auf denen nur große Strommengen gehandelt werden. Denn gemeinsam erzielt der Verbund problemlos handelbare Erzeugungsmengen. Umgekehrt können die Leitsysteme eines virtuellen Kraftwerks die Stromabnahme von Großverbrauchern an den Strompreis koppeln – und etwa dann Fabrikanlagen starten, wenn der Preis niedrig ist.

Mit einem intelligenten Stromzähler, einem sogenannten Smart Meter, im Keller könnte schon bald jeder Privatkunde auf Wunsch zum Teil eines solchen virtuellen Kraftwerks werden. Denn mit den modernen digitalen Stromzählern lassen sich der Verbrauch und die Produktion in jedem Haushalt exakt erfassen und steuern. Schon jetzt sind die dezentralen Netzwerke von virtuellen Kraftwerken meist so ausgelegt, dass sie sich beständig erweitern lassen. So können sie irgendwann ganzen Regionen die Energieversorgung der Zukunft bescheren – dezentral, flexibel und klimaneutral.

20. April 2022
Erneuerbare Energien
Klimaschutz
Ökostrom

Text: Florian Sievers. Bild: Shutterstock. Grafik: C3.

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