Eine Frau schaut sich eine Agri-PV-Anlage an.
Innovative Stromerzeugung

Wie Floating- & Agri-PV die Energiewende ankurbeln sollen

Die Bundesregierung hat ambitionierte Ausbauziele für die Erneuerbaren formuliert: Deutschland soll unabhängig von fossilen Energieträgern wie Gas, Öl und Kohle werden. Ziel ist, dass bis 2030 mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien stammen. Fünf Jahre später sollen es fast 100 Prozent sein. Um diese Ziele zu erreichen, setzen Experten auf Floating-PV und Agri-PV. Aber wie lassen sich diese Solaranlagen effektiv einsetzen – und wie funktionieren sie?

Derzeit stammen in der Bundesrepublik lediglich 42 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien. In weniger als fünfzehn Jahren sollen es 100 Prozent sein. Nicht die einzige Herausforderung, mit der sich Stromproduzenten und Regierung konfrontiert sehen: Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) steigt der Strombedarf allein in Deutschland bis 2030 auf 750 Terawattstunden (TWh). Das sind knapp 200 TWh mehr als im Verbrauchsjahr 2021. Um diesen Bedarf durch grünen Strom abzudecken und gleichzeitig den bisherigen Anteil vom Ökostrom zu verdoppeln, ist vor allem der Ausbau von Solaranlagen geplant. Künftig soll auch das Potenzial landwirtschaftlicher Flächen und Gewässer besser zur Gewinnung von Sonnenenergie genutzt werden. Entsprechend wurde mit dem sogenannten Osterpaket der Bundesregierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) angepasst. Installationsgenehmigungen für Agri-PV- und Floating-PV-Anlagen können dadurch leichter erteilt werden. Ein wichtiger Schritt für die Energiewende.

1700
Gigawatt Sonnenenergie
beträgt das Potenzial von Agri-PV-Anlagen in Deutschland.

Für einen effektiven Ausbau der bisherigen PV-Anlagen gibt es bereits viele innovative Ansätze. Beispielsweise lassen sich mit modernen Photovoltaikmodulen Solaranlagen auf Flachdächern installieren. Die Ausrichtung spielt dabei keine große Rolle mehr. Das gilt auch für flexibel einsetzbare Agri-PV-Anlagen. Wichtig: Dabei gehen nicht etwa Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung verloren – im Gegenteil. Agri-PV und die landwirtschaftliche Produktion lassen sich verbinden. Das Fraunhofer-Institut für Solarenergiesysteme (ISE) hat bereits verschiedene Einsatzmöglichkeiten erforscht, die zeigen, dass die Landwirte von der Doppelnutzung der Flächen profitieren können.

Derzeit gibt es zwei unterschiedliche Anlagentypen für Agri-PV:

  • Kategorie-1-Anlagen: Solarmodule werden großflächig über der jeweiligen landwirtschaftlichen Kultur angeordnet. Darunter wachsen beispielsweise Beeren oder Kernobst.
  • Kategorie-2-Anlagen: Mehrere Solarmodulreihen werden parallel zwischen den Ackerflächen errichtet. Die Abstände passen sich den individuellen Anforderungen wie der Breite der Erntemaschinen an. Darunter wachsen beispielsweise Getreide, Rüben oder Kartoffeln.

Aktuell wird an einem weiteren Anlagentyp für Spalierobst geforscht.

Eine Agri-PV-Anlage der Kategorie 1 steht schützend über einem Feld.
Agri-PV-Anlagen der Kategorie 1 können zusätzlich als Schutz vor Sonne, Starkregen oder anderen extremen Wetterereignissen genutzt werden.
Individuell anpassbare PV-Modulreihen der Kategorie 2.
Die individuell anpassbaren Modulreihen der Kategorie-2-Anlagen ermöglichen es Erntemaschinen, zwischen ihnen hindurchzufahren.

Kosten und Förderung von Agri-PV

Neben der energetischen Verbesserung und Erweiterung der verschiedenen Anlagentypen liegt das Hauptaugenmerk der Forscher auf der Reduzierung der Kosten von Agri-PV-Anlagen. Wegen der aufwendigen Unterkonstruktionen und der Spezialmodule sind die Kosten höher als bei normalen Freiflächenanlagen. Trotzdem rechnet sich die Investition schon jetzt. Denn Landwirte müssen derzeit zum Schutz vor Extremwetterereignissen wie Hagel oder Starkregen große Summen für kurzlebige Folien ausgeben. Agri-PV ersetzt diese Folien- und Hagelschutznetze, reduziert somit nachhaltig Kosten und spart Plastikmüll – gerade, wenn mit Blick auf den Klimawandel solche Ereignisse häufiger zu befürchten sind. Zudem lassen sich die PV-Module so installieren, dass sie als Schattenspender genutzt werden können. Die Verschattung schützt Pflanzen und Ernte und senkt außerdem den Wasserbedarf. Ein integriertes Wassermanagementsystem kann mittlerweile Niederschläge auffangen, sammeln und gleichmäßig verteilen. Dieses Prinzip wird bereits bei Smart-Living-Konzepten in Verbindung mit künstlicher Intelligenz genutzt, um Grünanlagen und Beete selbstständig zu bewässern.

Japan, China und die USA sind echte Vorreiter und nutzen Agri-PV großflächig. Der Ausbau wird zudem staatlich gefördert. Auch Deutschland bezuschusst die innovative Technologie. So soll die Förderung der Landwirtschaft mit EU-Mitteln aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bei der Installation einer Agri-PV-Anlage weiterhin möglich sein, sofern die landwirtschaftliche Nutzung nur bis zu 15 Prozent durch die Stromerzeugung beeinträchtigt ist. Auch eine zusätzliche EEG-Förderung ist möglich. Photovoltaikanlagen in Schutzgebieten, auf Grünland und auf naturschutzrelevanten Ackerflächen wollen die Minister aus Gründen des Natur- und Klimaschutzes allerdings von dieser Regelung ausnehmen.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erklärt zur gemeinsamen Entscheidung der Ressorts Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Umwelt (BMUV) und Landwirtschaft (BMEL) für die Verabschiedung des Osterpakets:

„Agri-Photovoltaik ermöglicht es unseren Landwirtinnen und Landwirten, einen Beitrag zur Versorgung mit erneuerbaren Energien zu leisten und landwirtschaftliche Nutzflächen trotzdem weiter bewirtschaften zu können.“

Cem Özdemir
Bundeslandwirtschaftsminister

Schwimmende PV-Anlagen – wie geht das?

Eine weitere Einsatzmöglichkeit für moderne Photovoltaikanlagen findet sich auf Gewässern. Dabei unterscheiden sich die Module einer Floating-PV-Anlage nicht von denen einer PV-Anlage auf dem Dach. Sie erzeugen aus dem Sonnenlicht, das auf die Solarzellen fällt, Strom und speisen ihn ins Netz ein. Wie die einzelnen Schritte ablaufen und wie eine Solaranlage aufgebaut ist, erfahren Sie in unserem Ratgeber „Solaranlagen: Wie funktioniert eine Solarzelle?“. Der wichtigste Unterschied zwischen Dach- und Floating-PV liegt in der Installation. Denn damit die Solarmodule schwimmen (zu Englisch „to float“), müssen sie auf Schwimmkörpern montiert werden, die am Grund des Gewässers oder am Ufer verankert sind. Wasserdichte Stromleitungen verbinden die Solaranlage mit dem Netzanschlusspunkt an Land und ermöglichen das Einspeisen in den Stromsee.

Was spricht für Floating-PV auf Seen und Meeren?

Schwimmende PV-Anlagen haben sich nach Meinung des Fraunhofer ISE von einer Nischentechnologie zu einer kommerziell nutzbaren Technik entwickelt, deren Bedeutung in Zukunft weiter zunehmen wird. Laut worldbank.org ist die weltweit installierte Gesamtleistung von rund zehn Megawatt (MW) im Jahr 2014 inzwischen auf zwei Gigawatt (GW) gewachsen. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch einer dreiköpfigen Familie von 3500 Kilowatt (KW) ließen sich damit circa 570 Haushalte ein Jahr lang mit grünem Strom versorgen. Trotz relativ hoher Installationskosten gibt es viele gute Gründe, die für Floating-PV sprechen:

  • Schwimmende PV-Anlagen nutzen unbewirtschaftete und unbebaute Flächen auf Baggerseen oder anderen Gewässern. Geeignete Flächen stehen in Deutschland laut Fraunhofer ISE ausreichend zur Verfügung.
  • Höhere Effizienz und Energieerträge durch natürliche Kühlung der Module.
  • PV-Module verringern die Algenbildung in Gewässern durch weniger Lichteinfall und schützen das Ökosystem vor starker Sonneneinstrahlung.
  • Wasserverlust wird durch eine reduzierte Verdunstungsrate gemindert.
  • Die Kopplung mit Wasserkraft- und Windkraftanlagen ist möglich und reduziert Schwankungen bei der Einspeisung von Ökostrom ins Netz.

Floating-PV kommt bereits in vielen Ländern zum Einsatz: In China befinden sich die derzeit weltweit größten schwimmenden Solarparks. Zusammen erreichen sie eine Höchstleistung von 100 MW. In den Niederlanden wurde 2020 eine Floating-PV-Anlage mit 73.000 Solarmodulen auf einem Baggersee bei Zwolle installiert. Sie bringt es auf 27,4 MW Leistung. 2021 ging in Singapur eine schwimmende PV-Anlage ans Netz, die auf der „Straße von Johor“ – einer Meerenge – installiert wurde. Die Solaranlage hat die Größe von fünf Fußballfeldern und erreicht eine Leistung von 5 MW.

Eine schwimmende PV-Anlage, auch Floating-PV genannt.
Schwimmende PV-Anlagen haben ein enormes Energie-Potenzial und können einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien leisten.

Und auch in Deutschland gibt es schon Floating-PV-Projekte: Auf dem Baggersee Maiwald in der baden-württembergischen Gemeinde Renchen bei Achern liefern schwimmende PV-Module bereits seit 2019 bis zu 800.000 Kilowatt (KW) grünen Strom pro Jahr. Damit wird das angrenzende Kieswerk betrieben. Durch den Umstieg auf selbst produzierte Solarenergie können insgesamt 560.000 Kilogramm schädliches CO2 pro Jahr eingespart werden. So hoch ist der jährliche CO2-Ausstoß von 389 Autos. Gut zu wissen: Auch schwimmende PV-Anlagen sind EEG-förderfähig. Eine Win-win-Situation für Klima, Natur und Wirtschaft.

26. April 2022
Erneuerbare Energien
Solar
Ökostrom

Text: Annika Schmitz. Fotos: Getty Images.

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