Klimaneutral heizen: In Abwasser steckt viel Potenzial
So funktionieren Abwasser-Wärmepumpen
Abwasser-Wärmepumpen sind Großwärmepumpen, die in der Regel Nah- oder Fernwärmenetze speisen. In Privathaushalten kommen sie nicht zum Einsatz. Allerdings funktionieren sie nach demselben Prinzip wie haushaltsübliche Wärmepumpen: Sie nehmen die im Abwasser vorhandene Wärme über einen Wärmetauscher auf und übertragen sie auf ein Kältemittel, das im Anschluss verdichtet wird, also auf ein höheres Druckniveau komprimiert wird. Hierdurch steigt die Temperatur des Kältemittels auf ein für Heizzwecke nutzbares Niveau an. Im Anschluss gibt das Kältemittel die Wärme ab – an einen Wärmespeicher, ein Heizungssystem oder an ein Fernwärmenetz. Mehr zu diesem Prozess erfahren Sie in unserem Artikel „Wie funktioniert eine Wärmepumpe?“.
Das Abwasser selbst kühlt sich durch den Entzug der Energie ab und erreicht etwa die Temperatur, die es vor der Erwärmung in Haushalt oder Betrieb innehatte.
Vorteile von Abwasser-Wärmepumpen
Die Nutzung von Umgebungswärme macht Abwasser-Wärmepumpen zu einer umweltfreundlichen Wärmequelle. Abwasser ist das ganze Jahr über verfügbar und weist im Schnitt Temperaturen zwischen 13 und 23 Grad Celsius auf. Anders als etwa Flüsse oder Seen kühlt es in den Wintermonaten nicht stark ab. Auch hier werden Werte zwischen zehn und 15 Grad Celsius erreicht.
Das macht Abwasser-Wärmepumpen besonders zuverlässig. Sinkt die Temperatur der Wärmequelle wie beispielsweise Flusswasser im Winter zu stark ab, kann eine zusätzliche Reserveanlage nötig sein, um die Wärmeleistung zu jeder Zeit sicherzustellen. Abwasser-Wärmepumpen benötigen eine solche Reserve nicht.
Voraussetzungen
Um Wärme aus Abwasser zu gewinnen, muss eine der folgenden drei Voraussetzungen gegeben sein:
- Zugang zur Kanalisation: In diesem Fall wird der Wärmetauscher im Abwasserkanal installiert. Die Wärmegewinnung über die Kanalisation spielt vor allem im urbanen Raum ihre Vorteile aus: Nicht nur kann sie unterirdisch erfolgen, sodass sie das Stadtbild kaum beeinträchtigt, sondern der Weg der erzeugten Wärme bis zu den Abnehmer:innen ist hier besonders kurz, sodass die Wärmeverluste gering bleiben.
- Zugang zu einer Kläranlage: In der Regel wird die Wärme in diesem Fall am Abfluss der Kläranlage aus dem gereinigten Abwasser entnommen. Auch nach der Reinigung ist das Temperaturniveau des Wassers dafür noch hoch genug. Der Einsatz einer Abwasser-Wärmepumpe in einem Klärwerk ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn es in Siedlungsnähe oder in der Nähe von gewerblichen oder industriellen Betrieben gelegen ist, sich also genügend Abnehmer:innen für die erzeugte Wärme in der näheren Umgebung befinden.
- Gebäude mit hohem eigenem Abwasseranfall: In Gebäuden wie Krankenhäusern, Schwimmbädern oder bestimmten Industriebetrieben, die über eine zentrale Abwasserabgabe verfügen, kann die Wärme direkt im Gebäude zurückgewonnen werden, bevor das Abwasser an die Kanalisation abgegeben wird. Die Temperatur des Abwassers ist hier zumeist noch höher als die Durchschnittstemperatur in der Kanalisation, sodass die Abwasser-Wärmepumpe besonders effizient betrieben werden kann.
Betreiber von Abwasser-Wärmepumpen sind aufgrund dieser Voraussetzungen zumeist Energieversorgungs- oder Abwasserreinigungsunternehmen.
Bedeutung für die Energiewende
Die Technologie der Wärmerückgewinnung aus Abwasser ist nicht neu. Lange Zeit kamen Abwasser-Wärmepumpen in Deutschland allerdings nur vereinzelt zum Einsatz: Im Vergleich zu anderen Heizsystemen galten sie als weniger wirtschaftlich. Seit einigen Jahren ändert sich das: Fossile Energieträger werden durch den CO2-Preis perspektivisch immer teurer, und die Energiewende hat nicht nur die Wärmepumpentechnologie an sich, sondern auch die Nutzung von Abwärme stärker in den Fokus gerückt.
Je mehr Menschen bereits vorhandene Wärme zum Heizen nutzen, desto weniger Heizenergie muss durch fossile Energieträger wie Öl oder Gas erzeugt werden. So hilft die Wärmegewinnung aus Abwasser dabei – ebenso wie etwa die Abwärme aus industriellen Prozessen oder der thermischen Abfallverwertung –, Nah- und Fernwärmenetze zu dekarbonisieren und die CO2-Bilanz der städtischen Wärmeversorgung zu verbessern.
So sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte zur Wärmerückgewinnung aus Abwasser entstanden. Im schwedischen Stockholm wird im „Stockholm Royal Seaport“, einem Modellquartier für nachhaltige Stadtentwicklung, Abwasserwärme zum Heizen von Gebäuden verwendet. In Wien versorgt seit Dezember 2023 eine Großwärmepumpe an der städtischen Kläranlage Simmering mehr als 50.000 Haushalte mit Fernwärme aus Abwasser. Und auch in Hannover wird künftig eine Abwasser-Wärmepumpe zum Einsatz kommen: Zu den geplanten Anlagen, die das Kohlekraftwerk in Hannover-Stöcken ersetzen werden und den schnellen Kohleausstieg für die niedersächsische Landeshauptstadt ermöglichen, gehört eine Großwärmepumpe am Klärwerk Hannover-Herrenhausen.
Welches Potenzial steckt in Abwasser-Wärmepumpen?
Umweltwärme aus Abwasser bietet in vielen Städten in Deutschland die Chance, die Wärmeversorgung insbesondere über Nah- und Fernwärmenetze klimaneutral aufzustellen. So dürften Abwasser-Wärmepumpen insbesondere im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung verstärkt zum Einsatz kommen. Insgesamt, so schätzt der Bundesverband Wärmepumpe e. V., könnten zukünftig zehn bis 15 Prozent des Wärmebedarfs in Deutschland durch die Wärmegewinnung aus Abwasser gedeckt werden.
Mehr Infos zur kommunalen Wärmeplanung lesen Sie in unserem Artikel „Kommunale Wärmeplanung: Für wen ist sie wichtig?“.
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