Auf die Mischung kommt es an
Dürre, Stürme, Borkenkäfer: Klimatische und ökologische Herausforderungen haben sich in den vergangenen Jahren auf die Wälder in Deutschland ausgewirkt. Laut den Niedersächsischen Landesforsten beläuft sich seit 2017 die geschädigte Fläche des eigenen Landeswaldes auf rund 50.000 Hektar, eine Fläche fast so groß wie der Bodensee. Gleichzeitig gehe die Wiederaufforstung der dezimierten Wälder gut voran. Wie sich der Wald wandelt, um auch in Zukunft als wertvolles Ökosystem zu funktionieren, zeigt sich nördlich von Hannover: Hier, im Fuhrberger Feld, befindet sich mit 30.400 Hektar das größte zusammenhängende Wasserschutzgebiet Norddeutschlands – 45 Prozent davon sind Wald. Auf 2000 Hektar baut enercity den hier wachsenden Nadelwald seit mehr als einem Vierteljahrhundert Stück für Stück zum Wasserwald um.
Das Fuhrberger Feld gehört zum Naturraum der Südheide, wo die Wälder stark von Kiefern geprägt sind. „In den 90er-Jahren bestand unser Wald entsprechend zu einem Großteil aus Kiefern und zu einem kleineren Teil aus Fichten. Auf das obere Stockwerk betrachtet passt das auch heute noch“, erklärt enercity-Förster Olaf Zander. Weiter unten wächst aber bereits die neue Generation nach. „Wir haben uns auf den Weg zum Dauerwald gemacht – also zu einem Mischwald mit einem höheren Anteil Laubwald und unterschiedlichen Altern auf einer Fläche“, berichtet Zander. „Das erreichen wir, indem wir neben Kiefern jetzt mehr Laubbaumarten wie Buchen, Eichen und Ahorn anpflanzen und damit langfristig den Wald umbauen.“
Viele Baumarten stärken den Wald
Die extremen Wetterlagen der vergangenen Jahre, mit trockenen Phasen, aber auch Phasen mit deutlich mehr Niederschlägen, haben die Voraussetzungen für die hier wachsenden Bäume verändert. „Es kommt zu einer sehr starken Spreizung von Feuchtigkeitszuständen im Wald“, so Zander. Bäume, die auf Extremstandorten stehen und deren Durchwurzelungen nicht so tief gehen, bekommen ein zunehmendes Problem. „Die Fichte hat es klimatisch nicht mehr überstanden, Trockenstress macht den Baum instabil. Eine Schwäche, die der Borkenkäfer gnadenlos ausgenutzt hat“, macht der Förster deutlich. Gleichzeitig bezeichnet er auch die Kiefer als Sorgenkind: Der Baum brauche insbesondere im Winter die Kälte. „Warme Winter verträgt sie nicht gut.“
enercity verfolgt unterschiedliche Ansätze, um den Wald zu stärken und resilienter machen. „Das funktioniert am besten dadurch, dass wir möglichst viele Baumarten – Nadel- und Laubbäume – mischen“, sagt Zander und ergänzt: „So sind zum Beispiel Schädlinge oft auf eine Baumart spezialisiert. In einem Mischwald können sie nicht einfach von Baum zu Baum springen und sich massenhaft vermehren.“ Mehr als 18 Millionen Bäume hat das Energieunternehmen in den letzten 28 Jahren im Wassergewinnungsgebiet Fuhrberger Feld gepflanzt. „Eines muss man aber auf die Zukunft gerichtet feststellen: Alles, was wir heute empfehlen, beruht auf Annahmen – basierend auf aktuelle Rahmenbedingungen und Klimaprognosen“, stellt Zander klar. Das Ziel sei es, auf einer Fläche möglichst viele Baumarten in Mischung wachsen zu lassen. Wenn ein Baum ein Problem bekommt, bleiben die anderen da. Zander: „Das ist ein langer Weg und ein bisschen vergleichbar wie bei Aktien. Wir setzen nicht alles auf eine Karte.“
Bundesweit gäbe es in der Forstwirtschaft zudem Ansätze, Baumarten aus anderen Klimaregionen zu testen, die mit Trockenphasen besser zurechtkommen, zum Beispiel die Atlaszeder aus Marokko. Andere Baumarten wie die Esskastanie oder die Zerreiche haben bereits die Römer nördlich der Alpen eingeführt. Sie gelten daher in Deutschland mittlerweile als heimische Baumarten. „Ein weiterer Ansatz ist es, bei Eiche und Buche Jungpflanzen aus Samen aus südeuropäischen Regionen anzuziehen, deren Eltern schon unter trockeneren Klimaten natürlich herausgefiltert wurden“, so Zander. Dass der deutsche Wald irgendwann nicht mehr so aussehen wird wie vor 150 Jahren, ist in jedem Fall keine ungewöhnliche Entwicklung, macht der Förster deutlich: „Es wird viel diskutiert, wie sehr man Natur verändern darf – ob wir riskieren dürfen, dass neue Baumarten etwa aus Nordamerika möglicherweise heimische verdrängen. Doch der Klimawandel verändert die Gegebenheiten für Bäume so rasant, dass natürliche Anpassungsprozesse zu langsam sein könnten.“ Daher müsse man den Blick weiten und ausprobieren, wie die natürlichen Prozesse in der Waldentwicklung bestmöglich unterstützt werden können. „Eben auch, indem wir maßvoll heimische Baumarten mit neuen mischen. Nur so können wir den Wald dauerhaft stärken.“
Wald dient als natürliches Wasserwerk
Mit dem Umbau zum Mischwald rüstet enercity den Wald aber nicht nur für die Folgen des Klimawandels, sondern optimiert ihn zudem in seiner Funktion als natürliches Wasserwerk. Im enercity-Wassergewinnungsgebiet Fuhrberger Feld gewinnt das Unternehmen fast 90 Prozent des hannoverschen Trinkwassers, mit dem es 700.000 Menschen in Hannover und der Region versorgt. „Im Wald ist die Wasserqualität besser als anderswo“, erklärt Zander. Das habe vor allem zwei Ursachen. Zum einen sorgen Pilze und im Waldboden enthaltene Mikroorganismen dafür, dass das Grundwasser aus dem Wald auf natürliche Weise gefiltert und somit nahezu schadstofffrei ist. Zum anderen verlieren Laubbäume im Winter ihre Blätter. Bei Regen bleibt dann weniger Wasser in den Kronen haften und läuft, statt von dort zu verdunsten, direkt in den Boden. So sind die Bäume besser vor Wassermangel geschützt. Und wenn mehr Wasser im Boden ankommt, bildet sich auch mehr neues Grundwasser. „Wald ist immer multifunktional. Unser oberstes Ziel ist die Sicherung der Trinkwasserversorgung“, unterstreicht der enercity-Förster. Dafür sei ein gesunder Wald entscheidend. Ein Wandel sei ein wichtiger Schritt, der jedoch nicht von heute auf morgen umzusetzen ist. Olaf Zander blickt in die Zukunft: „Dabei handelt es sich um ein Jahrhundertprojekt, das nur in mehreren Generationen zu erreichen ist.“
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