Grün in der Stadt. Dieses Bild zeigt ein Mehrfamilienhaus, welches von vielen Grünpflanzen umgeben ist.
Nachhaltigkeit

Das grüne Kraftwerk in der Stadt

Weniger Hitze, mehr Ruhe: Mit begrünten Dächern, bepflanzten Fassaden und entsiegelten Flächen lassen sich Städte gegen den Klimawandel wappnen – und lebenswerter gestalten.

Die Bewohner des Mehrfamilienhauses in der Südstadt Hannovers müssten sich nur aus dem Fenster lehnen, um Blumen oder Erdbeeren zu pflücken. Die Pflanzen sprießen aus Gittermodulen, die rings um sechs Fenster herum an der Fassade angebracht sind. Sie sind mit Substrat gefüllt und hängen vor der Hausmauer. Wasser erhält der Fassadengarten von einer Bewässerungsanlage in einer Garage unter dem Haus, die Leitungen verlaufen hinter den Pflanzenmodulen.

„So etwas ist aufwendig, aber es lohnt sich“, sagt die Architektin Anne Peters, die mit ihrem in Hannover ansässigen Architekturbüro die Fassadenbegrünung entworfen hat. Schließlich wertet das Grün den Nachkriegsbau und die gesamte Nachbarschaft auf – und sorgt auch noch für besseres Klima im Haus sowie in der gesamten Straße.

Fassadengarten. Dieses Bild zeigt einen Ausschnitt eines Mehrfamilienhauses in Hannover, dessen Fassade mit einem automatisch bewässerten Garten mit kleinen Pflanzen bedeckt ist.
Begrünt: Im Zuge der energetischen Fassadensanierung erhielt die Fassade eines Mehrfamilienhauses in Hannover-Südstadt einen automatisch bewässerten Fassadengarten.

Bepflanzte Häuser

Der Fassadengarten in der Südstadt Hannovers ist nicht einzigartig. Auch andere Städte Deutschlands werden grüner – langsam, aber stetig. An immer mehr Fassaden blühen Wandgärten, und Flachdächer tragen kleine Gartenlandschaften.

Schon immer haben Menschen ihre Siedlungen begrünt und bepflanzt. Bereits die allerersten Behausungen der Menschheit bestanden aus Wohngruben mit Grasabdeckung. In der Antike waren Tempel mit Wein umrankt, im Mittelalter Klostermauern efeubedeckt. Und auch heute noch findet sich am Mittelmeer kaum ein Haus ohne Fassadenbegrünung oder Pergola im Hof. Mit den Pflanzen haben die Menschen ihre Behausungen im Sommer kühl gehalten und im Winter warm.

Eben das ist heute wichtiger denn je. Schon jetzt ächzen vor allem dicht besiedelte Städte unter dem Klimawandel. Bei den häufiger werdenden Hitzewellen im Sommer heizen sich Gebäude und Straßen tagsüber in der Sonne auf und geben die Wärme in der Nacht wieder ab. Dadurch staut sich tags wie nachts die Hitze. Die Folge: Städte haben mit höheren Maximal- und Durchschnittstemperaturen zu kämpfen. So haben Wissenschaftler vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie gemessen, dass die Temperatur an warmen Nächten im Karlsruher Stadtgebiet um bis zu sieben Grad Celsius höher ist als im Umland.

Auf der anderen Seite treten zunehmend plötzliche Starkregenereignisse auf, deren Niederschläge dann wegen der starken Versiegelung nur schwer abfließen können. Wo viel Fläche asphaltiert, gepflastert oder bebaut ist, kann Regenwasser auch nicht mehr das Grundwasser anreichern – und belastet stattdessen die Kanalisation. Das Problem nimmt zu. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts werden in Deutschland jeden Tag 52 Hektar Land neu als Siedlungs- oder Verkehrsflächen ausgewiesen, das entspricht fast der Fläche von Frankfurt am Main. Entsiegelungsprojekte könnten diese Last zumindest etwas ausgleichen. Dabei werden Betonplatten, Pflastersteine oder Asphalt von Hinterhöfen, Parkplätzen oder Abstellflächen entfernt. Stattdessen kommen je nach Anwendung strapazierfähiger Rasen, Rasengittersteine oder Kiesdecken zum Einsatz, die das Wasser nicht am Versickern hindern. Und würden in den deutschen Städten alle Dächer nachträglich bepflanzt, könnte das sogar bis zu zwei Drittel der versiegelten Flächen ausgleichen, meldet der NABU.

Rasengittersteine. Dieses Bild zeigt einen mit Rasengittersteinen gepflasterten Weg auf einer grünen Wiese.
Mithilfe von Rasengittersteinen können gepflasterte Wege entsiegelt, also wasserdurchlässig gestaltet werden. So wird der natürliche Wasserkreislauf – regnen, verdunsten, ins Grundwasser versickern – erhalten.

Grüne Städte

Grüne Inseln, entsiegelte Flächen und bepflanzte Fassaden oder Dächer machen Städte widerstandsfähiger gegen den Klimawandel. In Sydney oder Paris gibt es denn auch schon koordinierte Offensiven für eine grüne Stadt. „Und auch in Deutschland steigt die Nachfrage nach Gebäudebegrünungen“, sagt Gunter Mann, Präsident des Bundesverbands GebäudeGrün e. V. (BuGG). Hierzulande wurde 2020 Mann zufolge ein Zehntel aller neuen Flachdächer begrünt – das sind acht Millionen Quadratmeter. Der Verband verzeichnet immer mehr Anfragen von Kommunenvertretern, Stadtplanern und Architekten. „Kein Wunder“, sagt Verbandspräsident Mann, „schließlich bedeutet Grün immer eine Oase in der Stadt.“ Wir haben für Sie die „grünsten Städte der Welt“ in einem Beitrag zusammengefasst.

Grüne Dächer. Dieses Bild zeigt mehrere Häuser nebeneinander, die alle bepflanze Dächer und Fassadenbegrünung aufweisen.

Positive Effekte der Gebäudebegrünung

  • Sie verbessern die Luftqualität und das Mikroklima, also das Klima in einzelnen Straßenzügen oder Stadtteilen, weil sie verschmutzte Luft filtern und Sauerstoff produzieren.
  • Sie regulieren wie eine natürliche Klimaanlage das Umfeld von Gebäuden und tragen damit zur Absenkung von sommerlichen Temperaturen bei.
  • Sie schützen vor Lärm und senken die Lärmbelastung in Gebäuden um bis zu 20 Dezibel.
  • Sie stärken die Biodiversität, weil sie mitten in dicht besiedelten Städten einen Lebensraum für Vögel und Insekten bieten.
  • Sie werten ihre Umgebung auf und bringen Leben in graue Straßen und Hinterhöfe.
  • Sie halten Regenwasser zurück, entlasten so die Kanalisation – und kühlen damit wiederum ihre Umgebung ab, weil sie dieses Wasser langsam wieder verdunsten.

proKlima – Der enercity-Fonds

„Das alles hilft Städten auch dabei, die Klimaneutralität 2035 zu erreichen“, erklärt Matthias Wohlfahrt, Leiter der Geschäftsstelle von proKlima – Der enercity-Fonds. Der Klimaschutzfonds, an dem auch die Städte Hannover, Hemmingen, Laatzen, Langenhagen, Ronnenberg und Seelze beteiligt sind, unterstützt mit Know-how und Zuschüssen zahlreiche Maßnahmen im Gebäudebereich, die CO2-reduzierend wirken.

Seit 2021 fördert proKlima Dachbegrünungen in Kombination mit Solaranlagen. „Beides geht super zusammen“, erklärt proKlima-Experte Wohlfahrt. Denn bei diesen sogenannten Solargrün-Dächern gedeiht der passende Bewuchs besonders gut im Schatten der Solarmodule – die wiederum dank der leichten Abkühlung ihrer Umgebung effektiver arbeiten können. Solarstrompaneele brauchen eine optimale Betriebstemperatur und dürfen nicht zu heiß werden.

Förderprogramm „Begrüntes Hannover“

In eine ähnliche Richtung arbeitet das Förderprogramm „Begrüntes Hannover“, das die Stadt Hannover zusammen mit dem BUND aufgelegt hat. Es unterstützt seit 2020 Dach- und Fassadenbegrünungen sowie Entsiegelungen von Flächen in der gesamten Region Hannover mit bis zu 10.000 Euro. Mit Erfolg: Schon jetzt halten die geförderten Projekte in Hannover jährlich 250.000 Kubikmeter Regenwasser von der Kanalisation fern und verdunsten stattdessen das Wasser.

Dieses Portrait zeigt Gunter Mann, den Präsidenten des Bundesverbands GebäudeGrün e.V. (BuGG).

„Unterm Strich rentiert sich eine Dach- und Fassadenbegrünung – auch wegen der zahlreichen Fördermaßnahmen – fast immer.“

Gunter MannPräsident des Bundesverbands GebäudeGrün e. V. (BuGG)

Mit diesen Programmen steht Hannover in Deutschland nicht allein da. Einer Umfrage des Bundesverbands GebäudeGrün e. V. unter 200 deutschen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern hat ergeben, dass ein Viertel davon Dach- und Fassadenbegrünungen mit direkten Zuschüssen fördert. Generell kommen dabei Wohnhäuser ebenso infrage wie Industrie- und Verwaltungsgebäude, Großhallen und Schulen. Zwar kosten die Begrünungsmaßnahmen Geld für Planung, Installation und Pflege. Dafür sollte man sich ausschließlich an Fachleute wenden. Im Gegenzug ließen sich jedoch unter anderem Heizkosten einsparen. „Unterm Strich“, sagt Verbandspräsident Mann, „rentiert sich das – auch wegen der zahlreichen Fördermaßnahmen – fast immer.“

Text: Florian Sievers. Fotos: Shutterstock, Anne Peters Architekturbüro, Getty Images, Bundesverband GebäudeGrün e. V. (2).

1. Oktober 2021
Klimaschutz
Hannover

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